Unter dem Namen „Agora Industrie“ arbeitet ein fachübergreifendes Team an Strategien und Politikinstrumenten für den Umbau der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie zur Klimaneutralität. Der neue Bereich unter dem Dach von Agora Energiewende konzentriert sich auf die Herausforderungen der Transformation der Industrie als weltweit größte CO₂-Emittentin mit globalen Wertschöpfungsketten.
Im Rahmen einer Veranstaltung zur klimaneutralen Industrie in der neuen Legislaturperiode hat Agora Energiewende gestern in Berlin ihre neue Marke „Agora Industrie“ vorgestellt. Die Marke integriert sich voll in die bestehende Organisation und ist eine Antwort auf die Komplexität der Industrietransformation: Zum einen geht der thematische Fokus der Arbeit zu einer klimaneutralen Industrie über die Energieversorgung hinaus. So müssen neben energiebedingten auch prozessbedingte Treibhausgasemissionen vermieden werden, was die Umstellung sämtlicher Produktionsprozesse und massive Investitionen bedeutet. Zum anderen erfordern globale Wertschöpfungsketten von Industrieprodukten eine integrierte Betrachtung der nationalen, europäischen und internationalen Ebene. Mit Agora Industrie wird – in enger Zusammenarbeit mit den Teams innerhalb von Agora Energiewende und mit Agora Verkehrswende – eine ganzheitliche, sektorübergreifende Betrachtung der nötigen Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität in der Industrie ermöglicht.

„Der Weg zu null Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts führt unweigerlich über die Transformation der Industrie“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Indem wir unsere Arbeit unter dem Namen Agora Industrie bündeln, tragen wir der Komplexität des Umbaus zu einer klimaneutralen Industrie Rechnung.“ Frank Peter, Direktor Agora Industrie betont: „Die Industrie ist für 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, wenn man auch die industrielle Nachfrage an Strom und Wärme berücksichtigt. Wir wollen Lösungen erarbeiten und zur Diskussion stellen, wie der Weg in eine klimaneutrale Industrie rasch gelingen kann.“

Ausgangspunkt ist Leitstudie zur klimaneutralen Industrie

Thematisch ergibt sich daraus ein breites Arbeitsfeld für das 15-köpfige Team von Agora Industrie. Denn es braucht Strategien und Politikinstrumente, etwa für die Umstellung industrieller Prozesse zur Herstellung klimafreundlicher Produkte, die Anpassung der internationalen Handelsanforderungen sowie den Aufbau einer globalen Kreislaufwirtschaft für einen möglichst effizienten und ressourcenschonenden Umgang mit Energie und Rohstoffen. Ausgangspunkt der Arbeit von Agora Industrie ist dabei die 2019 veröffentlichte Leitstudie zur klimaneutralen Industrie von Agora Energiewende, die Schlüsseltechnologien und Politikoptionen für die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie im deutschen Kontext vorlegte. „Auf Basis von fundierten wissenschaftlichen Analysen entwickeln wir Politikkonzepte unter der Beteiligung relevanter Stakeholder wie Unternehmen, NGOs, Wissenschaft, Politik und Gewerkschaften. Unser interdisziplinäres Team vereint dabei technische, ökonomische und politische Expertise“, sagt Peter, der 2017 als stellvertretender Direktor zu Agora Energiewende kam.

Aktuelles Projekt in der Stahlbranche

Das jüngste Produkt der Industriearbeit von Agora ist die Studie „Klimaschutzverträge für die Industrietransformation – Analyse zur Stahlbranche“. Darin zeigen die Autoren wie die Stahlindustrie als Deutschlands größte industrielle CO₂-Quelle umgebaut werden und als Anker für den Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft dienen kann. Der klimaneutrale Umbau der wenigen deutschen Stahlwerke birgt gewaltiges CO₂-Minderungspotenzial und ist somit ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Die Studie beschreibt Klimaschutzverträge – international unter der Bezeichnung Carbon Contracts for Difference (CCfDs) bekannt – als ein effektives Instrument, um die Transformation der Primärstahlproduktion von der kohlebasierten Hochofenroute zur klimafreundlichen Eisendirektreduktion mit grünem Wasserstoff abzusichern. Indem der Staat die Mehrkosten einer klimafreundlichen Stahlproduktion gegenüber der konventionellen Hochofenroute durch die CCfDs absichert, wird der Klimaschutz in den Mittelpunkt von Investitionsentscheidungen gerückt.

Bis zu 35 Mrd EUR bis 2030

Der Finanzbedarf von Klimaschutzverträge für die Stahlindustrie beträgt je nach Ausgestaltung und Kombination mit anderen Politikinstrumenten – etwa die Weiterentwicklung des Europäischen Emissionshandels (ETS) oder die effektive Förderung einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft – zwischen 13 bis 35 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Dadurch können zukunftsfähige Investitionen abgesichert, Industriestandorte und Arbeitsplätze auf dem Weg zur Klimaneutralität erhalten und massiv Emissionen eingespart werden. Die Analyse zur Stahlbranche ist der Auftakt einer Reihe von Studien zur Transformation der Grundstoffindustrie. Weitere Veröffentlichungen folgen zur Zement- und Chemieindustrie auf deutscher und europäischer Ebene sowie allgemein zur Rolle von Klimaschutzverträgen in der klimaneutralen Transformation der deutschen Industrie.

Die Studie „Klimaschutzverträge für die Industrietransformation – Analyse zur Stahlbranche“ ist in Zusammenarbeit mit FutureCamp, ecologic und dem Wuppertal Institut erschienen. Die 84-seitige Publikation mit Datenanhang steht zum kostenlosen Download unter www.agora-energiewende.de Verfügung. Mehr Informationen zur Marke Agora Industrie, der thematischen wie strategischen Ausrichtung und dem Team finden sich auf www.agora-industrie.de. Ein Mitschnitt der Veranstaltung „Klimaneutrale Industrie: Prioritäten für die 20. Legislaturperiode“ vom 7. Oktober 2021, an der CEOs großer Industrieunternehmen, Vertreter:innen aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft und Politik teilgenommen haben, ist ebenfalls online verfügbar.

Bild oben: Beginnend bei der Stahlindustrie will Agora Industrie für alle Zweige klimaneutrale Lösungen entwickeln. Foto: Pixabay/jplenio 

Von fil