Die BAU 2021 steht im Zeichen von vier Leitthemen: Herausforderung Klimawandel, Digitale Transformation, Zukunft des Wohnens, sowie Ressourcen & Recycling.  Viele Aussteller werden ihre Präsentationen danach ausrichten und entsprechende Lösungen anbieten. In den Messeforen werden die Leitthemen unter verschiedenen Aspekten erörtert und diskutiert. Und in den Sonderschauen werden sie anhand von Produkt- und Projektbeispielen veranschaulicht. 

Wände aus Bauschutt, Dämmung aus altem Hosenstoff und Schraubverbindungen statt Schweißnähten: Auf unseren Baustellen tut sich schon einiges in Sachen „Kreislaufwirtschaft“ – die „Circular Economy“ ist auch im Bauwesen angekommen. Erste Pilotprojekte und Forschungsvorhaben beweisen die vielfältigen Möglichkeiten des Recyclings am Bau: Fassadenmaterial, Fenster, Wand- und Bodenbeläge oder Kabel können so verbaut werden, dass sie wieder komplett demontierbar und damit „kreislauffähig“ sind. Metalle, Beton, Ziegel, Gips oder sogar Lehm lassen sich inzwischen zu neuen Baustoffen aufbereiten.

Urban Mining: Städte und Gebäude werden zum Rohstofflager von morgen

Worum geht es konkret? Der Begriff „Recycling“ ist altbekannt, doch hat sich seine Bedeutung erweitert: Er steht heute im Baubereich nicht mehr nur für einfache Verfahren wie die Aufbereitung von Bauschutt, um diesen als Schüttgut im Straßenbau einzusetzen. Auch die Verwendung von Ziegelsplit als Vegetationssubstrat im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau ist eher ein „Downcycling“, also ein Recyling mit Qualitätsverlust.

Die Bau 2021 wird die Themen Ressourcenschonung und Recycling einem großen Publikum näher bringen. Foto: Messe München

Wird die Materialqualität dagegen erhalten oder gar verbessert, wird das Recycling zum „Upcycling“ und die Gebäude von heute zum Rohstofflager von morgen. Bestandsbauten werden nicht mehr als Abbruchmasse, sondern als Wertstoffdepot gesehen. Darum sprechen Stadtplaner inzwischen vom „Urban Mining“. Wie das aussehen kann, ist besonders eindrucksvoll in Dübendorf bei Zürich zu besichtigen. Alle Baumaterialien, die für die Wohneinheit UMAR (Urban Mining and Recycling Unit) von Werner Sobek, Dirk E. Hebel und Felix Heisel verwendet wurden, sind zu 100 % wiederverwendbar, viele Teile stammen aus Altbauten. Besonders wichtig für die Wiederverwertbarkeit ist, dass die Materialien nicht fest miteinander verbunden, sondern verschraubt, gesteckt oder geklemmt sind. Erst dadurch wird die spätere sortenreine Trennung und Wiederverwertung überhaupt möglich.

Wiederverwertung – beim „Bauen im Bestand“ und bei Neubauprojekten

Auch beim Bauen im Bestand können Baumaterialien dem Nutzungskreislauf wieder zugeführt werden, wie es der britische Architekt David Chipperfield beim Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin praktizierte. 350.000 Mauerziegel ließen die Planer aufbereiten. Das historische Baumaterial wurde als eindrucksvolles Sichtmauerwerk in einer der Ausstellungshallen einer neuen Nutzung zugeführt. Mauerziegel und Dachziegel eignen sich in der Regel bestens für die Wiederverwertung. Beim Bauen im Bestand schlagen sie mit ihrer Patina und besonderen Ästhetik eine Brücke zwischen „Alt“ und „Neu“. Inzwischen wurde die erste Europäische Technische Zulassung (ETA) für gebrauchte Mauerziegel erteilt.

Dass Beton auf wirtschaftliche Weise wiederverwendet und damit ebenfalls Teil der „Circular Economy“ sein kann, wird durch viele bereits realisierte Bauprojekte deutlich, bei denen Recycling- oder RC-Beton den herkömmlichen Beton gemäß der bisherigen Richtlinien bis zu 45 % ersetzt. Forschungsprojekte sehen hier noch weiteres Potential – bis hin zum hundertprozentigen Einsatz von Recycling-Beton. So oder so werden wertvolle Baustoffe gespart, Transporte vermieden und Deponiekapaziäten geschont.

Einsatz von Recycling-Beton

Zwei Beispiele für den Einsatz von RC-Beton: Im hessischen Korbach hat das Planungsbüro agn eine Rathauserweiterung aus den 1970er Jahren selektiv bis auf den Rohbau zurückgebaut. Direkt auf der Baustelle erfolgte die sortenreine Trennung von Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik. In einem regionalen Recycling-Betrieb wurde der Betonbruch weiter zerkleinert und gesiebt, so dass er schließlich im Betonwerk mit Zement und Wasser zu neuem Beton für den Neubau der Rathauserweiterung verarbeitet werden konnte.

Einen Schritt weiter geht ein Modellprojekt der Hochschule München: Auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne soll aus insgesamt 300.000 Tonnen Beton-, Ziegel- und Mörtelresten an Ort und Stelle Recycling-Beton für den Neubau eines Wohnquartiers gewonnen werden. Das Novum: Der RC-Beton soll den klassischen Beton zu 100 % ersetzen – „Kreislaufwirtschaft“ vom Feinsten!

Stichwort „Fein“: Eine große Herausforderung bei der kreislaufgerechten Verwertung von Bauschutt stellen sogenannte „Kleinstpartikel“ dar. Teilchen von weniger als zwei Millimeter Größe, z. B. aus Kalksandstein, Beton, Ziegel oder Gips, wie sie typischerweise beim Abbruch von Gebäuden anfallen. Aber auch dafür gibt es Lösungen: Wissenschaftler verschiedener Fraunhofer-Institute haben im Projekt „BauCycle“ neue Verwertungsmethoden für feinste mineralische Abbruchmaterialien erforscht und ein optisch-pneumatisches Sortierverfahren entwickelt. So konnten feinteilige Sekundärrohstoffe für die qualitativ hochwertige Weiterverwendung gewonnen werden.

Recycling erfordert ein Umdenken aller Beteiligten

Mit Blick auf die knapper werdenden Ressourcen (Beispiel: Sand) und die begrenzten Kapazitäten von Bauschuttdeponien wird klar, dass die Kreislaufwirtschaft am Bau auch wirtschaftlich vorteilhaft ist. Neue Denkansätze wie der „Material Passport“, mit dem die verbauten Materialien dokumentiert und ihr Wert für die Wiederverwendung beziffert wird, ermöglichen in Zukunft sogar für die Finanzierung von Bauprojekten neue Möglichkeiten. Darüber hinaus trägt die im Idealfall lokale bzw. regionale Wiederverwertung von Baustoffen dazu bei, dass der hohe Energieverbrauch für Förderung und Produktion sowie für den Transport zur Baustelle erheblich reduziert werden kann.

Umdenken und neue, ressourcenschonende Lösungen finden müssen Hersteller, Architekten und Ingenieure ebenso wie die Verarbeiter aus Handwerk und Baugewerbe. Es mag nicht immer leicht fallen, doch die ersten Recycling-Projekte zeigen: Hier bieten sich für alle am Bau Beteiligten auch große Chancen und Wettbewerbsvorteile.

Von fil