In einer der wichtigsten Automobilregionen Deutschlands, in Südwestsachsen, hat sich das Bündnis ITAS formiert, um Zulieferer aktiv in ihrer Transformation zu begleiten. Da das Thema Kreislaufwirtschaft hierbei eine entscheidende Rolle spielt, unterstützt und sensibilisiert ITAS Unternehmensleitungen und Fachkräfte mit Online-Kursen.

Südwestsachsen und im Speziellen Zwickau ist eine der Wiegen des deutschen Automobilbaus. Auch heute ist die Region stark von der Branche geprägt: Über 800 Unternehmen arbeiten in Südwestsachsen entlang der automobilen Wertschöpfungskette und beschäftigen mehr als 50.000 Menschen. Entsprechend deutlich wird sich hier künftig der Mobilitätswandel auswirken. Um diesen aktiv mitzugestalten, hat sich ITAS gegründet – die „Initiative Transformation der Automobilregion Südwestsachsen“. Konkret haben sich das Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen (AMZ), die Agentur für Arbeit Zwickau, die IHK Chemnitz, die IG Metall Chemnitz/Zwickau und die Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (CWE) als Bündnispartner zusammengefunden.

Gefördert wird ITAS durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit insgesamt 8,2 Millionen Euro. Träger der Initiative ist der VDI/VDE IT, der sämtliche staatlich geförderten Transformationsprojekte unter seinem Dach hat. Die Handlungsfelder von ITAS umfassen Industriepolitik, Innovation und Technologietransformation ebenso wie Arbeit und Beschäftigung sowie Qualifizierung und Weiterbildung. Auch in den Bereichen regionales Mindset und resiliente Gesellschaft unterstützt die Initiative den Wandel in Südwestsachsen. Eine zentrale Komponente dieser Transformation ist die Kreislaufwirtschaft, die nachhaltiges Wirtschaften und Ressourcenschonung in den Mittelpunkt stellt.

Kreislaufwirtschaft nutzt vor allem ökonomisch

Andreas Wächtler, Foto: ITAS

Warum gerade der zirkuläre Ansatz für die Branche so zentral ist, erklärt Andreas Wächtler vom AMZ: „Wenn der Wandel der Automobilindustrie wirklich tragfähig und im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung – der Klimaneutralität – sein soll, ist die Entwicklung hin zur Circular Economy nötig. Denn recyceln wir Materialien konsequent, schont das die Ressourcen und verringert die Umweltbelastung. Dadurch kommen Unternehmen aber nicht nur Nachhaltigkeits- und Klimazielen nach, sondern verbessern auch die Effizienz und Wirtschaftlichkeit ihrer Produktion.“ Niedrigere Materialkosten und effektivere Abläufe steigern so auch die Wettbewerbsfähigkeit angesichts der internationalen Konkurrenz.

Das Verschrotten von Altautos hat in Zukunft als Konzept für die Automobilindustrie wohl eher ausgedient. Schließlich gehen hierbei Rohstoffe in beträchtlichen Größenordnungen verloren. Gerade die letzten Jahre haben durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und deren Folgen gezeigt, wie empfindlich die Branche auf Lieferengpässe und explodierende Materialkosten reagiert. „Kreislaufwirtschaft ist angesichts der derzeitigen Krisen eine sinnvolle Methode, um die Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit von Automobilunternehmen zu stärken. Sie geht aber weit über die Krise hinaus. Sie ist schlicht ein sinnvolles Konzept, dessen Vorteile für die Betriebe in erster Linie ökonomischer Natur sind“, sagt Wächtler. So sei es durch die Circular Economy auch in Zukunft möglich, Rohstoffe zu wirtschaftlichen Preisen einzusetzen und Lieferketten möglichst vollständig abzusichern.

Zwei Anknüpfungspunkte zirkulärer Wirtschaft

Boris Kaiser, Foto: ITAS

Das künftige Ziel sollte eine umfassende Wiederverwertung der Fahrzeuge sein. Dazu gibt es zwei grundlegende Anknüpfungspunkte. Einer führt über das Design, der andere setzt an den Produktionsprozessen an. „80 Prozent der Grundlagen einer Kreislaufwirtschaft können die Automobilhersteller im Design legen. Im Grunde geht es darum, das Produkt ‚Fahrzeug‘ in all seiner Komplexität noch einmal neu zu denken. Ingenieure gestalten Automobile so, dass sie den Anspruch der Wiederverwertbarkeit erfüllen können und zum funktionalen Baustein des Kreislaufsystems werden“, sagt Boris Kaiser, Projektleiter von ITAS.

Dabei spielen das sich verändernde Nutzungsverhalten und die Bedürfnisse der Kunden eine entscheidende Rolle. So geht die Entwicklung immer mehr dahin, dass Menschen Autos nicht mehr besitzen, sondern flexibel nutzen möchten. Das kann etwa über Leasing-Möglichkeiten, Car-Sharing-Angebote oder Pay-per-Use-Modelle geschehen. Werden die Geschäftsmodelle und die Fahrzeuggestaltung entsprechend weiterentwickelt, bekommen die Hersteller zugleich einen grundlegend anderen Zugriff auf die verwendeten Rohstoffe und Bauteile: Sind die Fahrzeuge nachhaltig designt, können Komponenten am Ende ihrer Lebenszeit entnommen, wiederverwertet und für den Re-Use aufbereitet oder stofflich recycelt werden. Im Licht der veränderten Gewohnheiten bleiben die Automobilunternehmen dabei Eigentümer des Materials, das erleichtert die Rückführung der Bauteile und Rohstoffe in den Verwertungskreislauf.

Zulieferer können Blick auf die Produktion setzen

Für zahlreiche Betriebe besteht allerdings kein Einfluss auf die Gestaltung der Fahrzeuge. Dies ist vor allem bei Zulieferern der Fall, die Komponenten für die großen Automobilmarken fertigen. Doch auch sie können sich zirkulär aufstellen. „Dazu sollten die einzelnen Etappen der Produktion und die Fabrik als Ganzes betrachtet werden. Gerade was den Rohstoffeinsatz oder den Umgang mit überschüssigem Material, Abfällen oder fehlerhaften Produkten angeht, ergeben sich häufig Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen.

Auch die Maschinen und Anlagen selbst können auf den Prüfstand gestellt und nach Prinzipien der Kreislaufwirtschaft erneuert werden“, so Kaiser weiter. Zudem ist auch die Vernetzung mit Wettbewerbern und Partnern wichtig, denn Kreislaufwirtschaft ist keine Einbahnstraße. So müssen etwa Verwertern Fahrzeuge oder Altbauteile regelmäßig in relevanten Größenordnungen zur Verfügung gestellt werden, damit der Materialkreislauf funktioniert.

Kostenfreie Kurse sollen Bewusstsein schärfen

Um das Thema Kreislaufwirtschaft bei den Zulieferern voranzutreiben, bietet ITAS unter dem Namen „Circular Cars“ zwei kostenfreie spezielle Kurse an. Das Ziel ist dabei einerseits, das Bewusstsein für das Thema Kreislaufwirtschaft in den Unternehmen zu schärfen. Andererseits sollen Firmen so ein Werkzeug für eine konkrete Selbsteinschätzung an die Hand bekommen. „Wir wollen mit unseren Kursen Wissen vermitteln und den Betrieben die Möglichkeit geben, mithilfe verlässlicher Markdaten und Quellen die eigene Unternehmenssituation realistisch zu bewerten. Anhand dessen sollen sie für sich machbare Anknüpfungspunkte, Strategien und Maßnahmen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft erkennen und entwickeln können“, erklärt Andreas Wächtler vom AMZ. Das Zulieferernetzwerk hat die Kurse maßgeblich mitkonzipiert.

Der eine Teil des Kursangebotes richtet sich dabei dezidiert an die Unternehmensleitung. Bei „Circular Cars – Made in Sachsen: Strategische Umsetzung für Unternehmensführung“ geht es darum, wie das Geschäftsmodell und die Entwicklung von Produkten unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft verändert werden kann. Dazu erhalten Geschäftsführer Einblicke in die strategische Implementierung der Prinzipien der Circular Economy in ihre Unternehmensplanung. Es wird zudem dafür sensibilisiert, wie die Umstellung auf einen zirkulären Ansatz sowohl die ökologische Nachhaltigkeit fördert als auch die Wettbewerbsfähigkeit steigert. Die vorgestellten Maßnahmen reichen dabei von der Abfallreduzierung bis zur Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle.

Der zweite Kurs richtet sich vor allem an Fachkräfte in der Automobilindustrie und befasst sich mit Themen wie Qualifizierung und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tätigkeitsprofil. Er bietet praxisorientierte Einblicke in die Anwendung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft am Arbeitsplatz. Teilnehmer lernen, wie sie Ressourcen effizienter nutzen, Abfälle minimieren und zugleich die Qualität ihrer Arbeit verbessern. So können Angestellte nicht nur zum Umweltschutz beitragen, sondern steigern auch ihre berufliche Qualifikation und ihre Position am Fachkräftemarkt; außerdem sichern sie die künftige Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens. „Unsere Kurse sollen letztendlich auch dazu beitragen, dass sich Unternehmer und Fachkräfte miteinander vernetzen, schließlich funktioniert Kreislaufwirtschaft nur als System, als gemeinsames Projekt der Beteiligten“, so Wächtler.

Bild ganz oben: Visualisierung: Kreislaufdesign am Fahrzeug; KI-generierte Darstellung, Bildquelle: Midjourney, CWE

Von fil