Die Wehrle-Werk AG hat das vielversprechende Rückgewinnungsverfahren zusammen mit dem Forschungspartner Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) entwickelt. Nun soll die industrielle Umsetzung erfolgen. Die neue Technologie könnte Phosphorrecycling wirtschaftlicher machen. Funktioniert die Pilotanlage im Megawattmaßstab wie erhofft, könnten bestehende Klärschlammverbrennungsanlagen mit der Technologie nachgerüstet werden. Zusätzliche Schritte wären dann nicht nötig. Die Zeit für Kläranlagenbetreiber drängt: Ab 2029 wird das Recycling aus Klärschlämmen Pflicht für alle großen Kläranlagen in Deutschland. Das Landesumweltministerium und die EU fördern das Projekt in Höhe von 4,2 Millionen Euro.

Phosphor ist ein lebenswichtiger Inhaltsstoff der Nahrung und zudem auch eine Schlüsselchemikalie in Düngemitteln. Der Stoff wird heute überwiegend aus Phosphatgestein gewonnen. Große Lagerstätten derartiger Mineralien gibt es vor allem in Nordafrika, jedoch nicht in Europa, was zukünftig zu Versorgungsengpässen führen kann. Aus diesem Grund wird das Recycling von Phosphor aus Abfallströmen an Bedeutung gewinnen. Klärschlamm ist ein solcher Abfallstrom, der heute in der Regel verbrannt wird, ohne dass der darin enthaltene Phosphor zurückgewonnen wird. Allein in Deutschland könnten 50 % des gesamten Phosphorbedarfs durch Klärschlamm gedeckt werden.

Phosphor während der Klärschlammverbrennung recyceln

Das ZSW hat in den vergangenen Jahren den Industriepartner Wehrle-Werk AG aus Emmendingen bei der Entwicklung einer neuartigen Technologie zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm wissenschaftlich begleitet. Diese soll nun weiter optimiert und erstmalig in Form einer großen Pilotanlage von Wehrle in einer Kläranlage gebaut und im Projekt erprobt werden. Auftraggeber der P-XTRACT-Pilotanlage – P für Phosphor, XTRACT für Extraktion – ist der Abwasserzweckverband Staufener Bucht. Die Anlage soll südlich von Freiburg am Kläranlagenstandort Breisach- Grezhausen entstehen. Der Klärschlamm wird in einer sogenannten modifizierten Wirbelschichtverbrennung vollständig verbrannt. Dabei soll der Phosphor zurückgewonnen werden. Als positiver Nebeneffekt entfallen künftig auch die Lkw-Transporte des Klärschlamms von den insgesamt sieben im Projekt beteiligten Kläranlagen in Südbaden in eine Klärschlammverbrennung nach Nordrhein-Westfalen. Im Projekt wollen die Partner den Betrieb der Wirbelschichtverbrennung und die Phosphorrückgewinnung optimieren.

Es gibt bereits seit Mitte der 2000er Jahre unterschiedliche Ansätze zur Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm, jedoch sind sie meist komplex und teuer. Bei einigen Verfahren wird der Phosphor bei der Abwasseraufbereitung zurückgewonnen, bei anderen aus der Asche nach der Verbrennung des Klärschlamms. Hier kommt der Vorteil der neuen Entwicklung zum Tragen: Der Phosphor wird bereits während der Verbrennung des Klärschlamms extrahiert, damit sind keine weiteren, gesonderten Prozessschritte notwendig. Die Technologie beruht im Kern darauf, dass sich während der Klärschlammverbrennung bei rund 900 Grad Celsius und unter Zugabe von Zusatzstoffen ein nahezu schadstofffreier phosphorhaltiger Wertstoff bildet. Dieser kann anschließend zu Düngergranulat verarbeitet werden.

„Wir freuen uns, dass wir an der Entwicklung dieses Verfahren bis zum Pilotmaßstab beteiligt sind und dass nun in der Anlage in Breisach- Grezhausen die Technologie unter realen Bedingungen erprobt wird“, sagt Dr. Jochen Brellochs, Projektleiter am ZSW. „Im Erfolgsfall kann dann diese Technologie an neuen Standorten aufgebaut oder in bereits bestehenden Klärschlammverbrennungen integriert werden.“

Transfer in den 1-Megawatt-Maßstab und Optimierung

Die Forscherinnen und Forscher des ZSW haben die grundsätzliche technische Machbarkeit des Verfahrens gemeinsam mit der F&E-Abteilung von Wehrle an einer eigenen Versuchsanlage im Institut in Stuttgart nachgewiesen. Am ZSW ist eine umfangreiche, langjährige Expertise und Erfahrung im Bereich der integrierten Phosphor-Rückgewinnung und Wirbelschichttechnik vorhanden inklusive der hierfür notwendigen speziellen Analysemöglichkeiten.

Die Technologie stellt eine in den Verbrennungsprozess integrierte und dezentrale Lösung zur Rückgewinnung von Phosphor dar. Mit dem Know-how aus der eigenen Forschungsanlage unterstützt das ZSW nun als Wissenschaftspartner den Technologietransfer in den 1- Megawatt-Pilotmaßstab in Grezhausen. Neben der Hochskalierung wollen die Partner auch weitere Verbesserungen am Verfahren erproben. „Wir werden an verschiedenen Stellschrauben ansetzen: Optimierungen im Anlagendesign sollen die Rückgewinnungsquote von Phosphor auf deutlich über 80 Prozent steigern. Außerdem soll die Bioverfügbarkeit des recycelten Phosphors in Pflanzen durch neue Zusätze weiter erhöht werden“, erläutert Brellochs. Der Projektpartner Albert- Ludwigs-Universität Freiburg untersucht in dem Vorhaben, wie gut die Pflanzen das entstandene Phosphorprodukt nutzen können.

Pflicht zur Rückführung in den Stoffkreislauf ab 2029

Der Übertrag der Technologie vom Labor in einen ersten großen Feldversuch kommt zur rechten Zeit: Ab dem Jahr 2029 müssen Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern einen Teil ihres Phosphors aus Klärschlamm zurückgewinnen, wenn der Phosphorgehalt 20 Gramm je Kilogramm Klärschlamm oder mehr beträgt. Das verlangt die im Oktober 2017 verschärfte Klärschlammverordnung. In Mannheim soll Ende 2021 eine Anlage ans Netz gehen, die jährlich bis zu 180.000 t Klärschlamm verarbeiten kann. Lesen Sie hier mehr.

Bild oben: ZSW-Wissenschaftler an der Phosphorrecycling-Versuchsanlage in Stuttgart. Foto: ZSW

Von fil