Bei der Herstellung von Produkten entstehen Umweltbelastungen, etwa Luftschadstoffe. Die daraus entstehenden Kosten, zum Beispiel für die Behandlung von Krankheiten, spiegeln sich nicht in den Produkt-Preisen wieder. Ein „Zweites Preisschild“ könnte auf diese unsichtbaren Kosten hinweisen. Eine staatlich organisierte Einführung würde aber mehr Aufwand als Nutzen bedeuten, so eine UBA-Studie.

In dem vom Umweltbundesamt durchgeführten Forschungsvorhaben „Umweltkosten von Konsumgütern als Ansatzpunkt zur Verbesserung marktlicher und nicht-marktlicher Verbraucherinformationen“ wurde die Umsetzbarkeit eines „Zweiten Preisschildes“ untersucht. Die Ergebnisse lassen sich nun im Abschlussbericht nachlesen. Hier die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

Wie würde so ein „Zweites Preisschild“ funktionieren?

Für ein „Zweites Preisschild“ werden zunächst die bei der Herstellung eines Produktes entstehenden Umweltbelastungen ermittelt, etwa der Ausstoß von Treibhausgasen und Luftschadstoffen. Diese werden daraufhin in einen Geldwert umgerechnet. Der Geldwert bezieht sich dabei auf die Kosten, die zur Beseitigung oder Vermeidung der Umweltbelastung beziehungsweise für die Beseitigung der durch die Umweltbelastungen entstandenen Schäden nötig wäre. Diese Kosten werden auch als Umweltkosten oder externe Kosten bezeichnet, da sie nicht vom Verursacher bezahlt werden, sondern von anderen, etwa der Allgemeinheit über Steuergelder oder Krankenversicherungsbeiträge. Am Ende können die Kosten verschiedener Umweltbelastungen eines Produkts zusammengerechnet werden und ergeben, addiert auf den Verkaufspreis, einen Gesamtpreis, der als „Zweites Preisschild“ auf oder neben dem Produkt sichtbar sein könnte, um Verbraucher*innen eine leicht verständliche Orientierung für den Kauf möglichst umweltfreundlicher Produkte zu bieten. Bezahlt werden müsste weiterhin lediglich der tatsächliche Verkaufspreis.

Warum hält das UBA ein staatlich organisiertes „Zweites Preisschild“ aktuell für nicht empfehlenswert?

Die Schaffung einer validen Datengrundlage sowie eines Regelwerks für die Bearbeitung der Daten wäre sehr aufwändig und zeitintensiv. Denn die Umweltkosten eines Produktes sind von einer Vielzahl an Faktoren abhängig. Etwa zeigt die beispielhafte Berechnung der Umweltkosten von Tomaten im Forschungsvorhaben eine sehr große Bandbreite, je nach Region und Jahreszeit: Die Umweltkosten schwanken von 0,02 EUR pro Kilogramm Tomaten für Freilandtomaten aus der Region im Sommer bis zu knapp 1,00 EUR für mitteleuropäische Tomaten aus (mit fossilen Brennstoffen) geheizten Gewächshäusern im Frühjahr.

Daten fehlen

Momentan ist auch festzustellen, dass keine lückenlose Datengrundlage vorhanden ist. Beispielsweise ist es aktuell nicht möglich, Wirkungen für Biodiversität oder Tierwohl zu erfassen und in Geldwerte umzurechnen. Diese Lücke kann dazu führen, dass die für Biodiversität schädlicheren Produkte dennoch geringere Umweltkosten aufweisen als Biodiversität fördernde Produkte, was wiederum bei Verbraucher*innen zu fehlgeleiteten Konsumentscheidungen führen kann.

Auch die Organisation eines Labels, um gegenüber den Verbraucher*innen die Korrektheit der von den Unternehmen durchgeführten Berechnungen zu garantieren, wäre ein hoher verwaltungstechnischer Aufwand.

Weiterhin müsste erst einmal im Detail untersucht werden, ob durch ein Label wie das „Zweite Preisschild“ tatsächlich ein besseres Verständnis und eine Lenkungswirkung für einen umweltverträglichen Konsum bei Verbraucher*innen entstehen würde.

Fazit: Zeit und Aufwand scheinen besser investiert in Maßnahmen, die

  • direkt die Produktion umweltfreundlicher machen und / oder
  • die Umweltkosten in den tatsächlichen Kaufpreis der Produkte integrieren. Unternehmen hätten dann eine deutlich höhere Motivation, Umweltbelastungen durch ihre Produkte so weit wie möglich zu senken, damit der Preis an der Ladenkasse attraktiv ist.

Wieso sich die Erhebung von Umweltkosten trotzdem lohnt

Auch wenn die Erhebung von Umweltkosten momentan nicht zu einem „Zweiten Preisschild“ führt, kann es sinnvoll sein, diese zumindest für einzelne Produkte zu berechnen. Werden statt einzelner Produkte übergeordnete Konsummuster, wie beispielsweise eine fleischlastige mit einer vegetarischen Ernährung, verglichen, sind die Unterschiede und die Genauigkeit der ermittelten externen Kosten so gut, dass jetzt schon sinnvolle Richtungsentscheidungen unterstützt werden können.

Eine solche Datengrundlage könnte für die politische Argumentation oder auch zu Bildungszwecken eingesetzt werden. Ein ebenfalls beim UBA laufendes Forschungsvorhaben zu Umweltkosten („Sichtbarmachung versteckter Umweltkosten der Landwirtschaft am Beispiel von Milchproduktionssystemen“, Veröffentlichung voraussichtlich Anfang 2021) kommt zu einem ähnlichen Zwischenergebnis: Durch die Erhebung und Berechnung von Umweltkosten können Produktionssysteme miteinander verglichen werden (hier zum Beispiel Weidemilch und konventionell produzierte Milch). Zum anderen kann anschaulich dargelegt werden, welche Aspekte überhaupt in eine Ökobilanzierung und der darauf aufbauenden Monetarisierung eines Produktes eingehen. Zudem lässt sich erschließen, wo die Erfassung der Umweltkosten bereits gut funktioniert und wo es noch Unsicherheiten gibt.

Hier können Sie die gesamte Studie lesen.

Von fil