Im Zuge der COVID 19-Pandemie ist der Begriff der Resilienz zu einem wichtigen Leitbild geworden. Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fordern verstärkt Strategien, um die systemische Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit in diesen Bereichen zu erhöhen. Ein neuer Policy Brief des Fraunhofer ISI zeigt, dass die Innovationsforschung hier viele praxisnahe und erprobte Ansatzpunkte bietet, die bei der Ausarbeitung von Resilienz-Strategien hilfreich sein können. Der Policy Brief liefert ein Grundgerüst für Handlungsempfehlungen zur Stärkung systemischer Resilienz.

Die COVID 19-Pandemie hat viele Gesellschaften an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit gebracht, besonders Infrastrukturen im Gesundheitswesen, aber auch globale Lieferketten und deren Fragilität aufgezeigt. Um in Zukunft besser auf künftige Krisen vorbereitet zu sein, stößt das Resilienz-Konzept in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf großes Interesse, weil es helfen soll, gesellschaftliche Systeme robuster und anpassungsfähiger zu machen. Allerdings zielen entsprechende Maßnahmen häufig nur auf eine Wiederherstellung der Systemfunktionalität ab (englisch bounce back). Um langfristig gegen Krisen gewappnet zu sein, sollte aus den gesammelten Erfahrungen aber Lernprozesse entstehen und Systemeigenschaften teilweise grundlegend verändert werden (bounce forward). Da bislang kaum praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Stärkung einer adaptiven und transformativen Resilienz existieren, haben Autor:innen des Fraunhofer ISI in einem neuen Policy Brief Erkenntnisse aus der Innovationsforschung zusammengetragen und daraus erste Kriterien für langfristige Resilienz-Strategien abgeleitet. Schließlich befasst sich die Innovationsforschung seit geraumer Zeit mit der Frage, wie sich komplexe sozio-technische Systeme unter dynamischen Umweltbedingungen verändern und mit welchen Instrumenten sie ihre Innovations- und Transformationsfähigkeit stärken. Dies lässt sich in ganz ähnlicher Weise auf das Resilienz-Konzept anwenden.

Fünf Erkenntnisse aus der Innovationsforschung für das Resilienz-Konzept

Eine erste Erkenntnis des Policy Briefs lautet, dass die Herausbildung von lokalen Ressourcen nicht nur maßgeblich die Innovationsfähigkeit, sondern auch die Resilienz von Systemen stärken kann. Schließlich sind diese funktionsfähiger und reaktionsstärker, wenn ihre Kompetenzen verteilt sind und sie auf lokale Entwicklungen reagieren können. So bilden etwa innovative Unternehmen den Kern lokaler Innovationssysteme. Darüber hinaus festigen zweitens starke Netzwerke und enge Beziehungen zwischen wichtigen Akteuren, die sich idealerweise durch eine hohe Diversität auszeichnen, die Innovationsfähigkeit und Resilienz von Systemen und schaffen Vertrauen in Institutionen. Drittens braucht es strategische Intelligenz, damit in Veränderungsprozessen wichtige Entscheidungen getroffen und diese auch wahrgenommen werden können. Geteiltes strategisches Wissen und daraus resultierendes Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit von Systemen verbessert auch die Entscheidungsbasis zur Krisenreaktion.

Auseinandersetzung mit „Zukünften“ und Bedeutung der Vorlaufforschung

Wenn sich – so die vierte Erkenntnis – die Akteure eines Innovationssystems über Foresight-Prozesse gemeinsam mit „Zukünften“ auseinandersetzen, stärkt dies auch die Resilienz. Dabei geht es nicht um exakte Vorhersagen als vielmehr darum, sich über eigene Zukunftserwartungen klar zu werden, „schwache Signale“ zu erkennen, offen gegenüber Veränderungen zu sein sowie gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Ein Beispiel stellt die von der Bundesregierung eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft dar, bei der Vertreter:innen der wichtigsten Verbände aus Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher- sowie Umwelt- und Tierschutz sich trotz stark unterschiedlicher Positionen auf Zielvorgaben für eine nachhaltige Landwirtschaft einigen konnten.

Ein fünftes Kriterium, das ebenfalls resilienzfördernd wirkt, ist die Förderung – oft in Form von Investitionen – der Grundlagen- und Vorlaufforschung. Diese bringt grundsätzliche Erkenntnisse zutage, ohne einen unmittelbaren, zeitnahen Bezug zu einer konkreten Anwendung zu haben. Das dabei generierte Wissen zahlt sich zwar oft aus, jedoch häufig erst nach einem längeren Zeitraum. Ein gutes Beispiel ist die schnelle Entwicklung von Covid-Impfstoffen, die auf Vorlaufforschung zu Immunreaktionen gegen Krebszellen basiert und ohne diese nicht in so kurzer Zeit hätte realisiert werden können.

Dr. Florian Roth, Mitautor des Policy Briefs und Resilienz-Forscher am Fraunhofer ISI, fasst abschließend seine wichtigsten Erkenntnisse zusammen: „Für die Resilienz von Systemen ist es ganz entscheidend, lokale Ressourcen aufzubauen und diese über starke Netzwerke miteinander zu verbinden. Dies gilt für Unternehmen und andere Organisationen, aber auch für ganze Regionen und Gesellschaften. Systemische Resilienz lässt sich gezielt fördern, unter anderem indem Vorausschauprozesse gestärkt und Grundlagenforschung sowie experimentelles Lernen gefördert werden.“

Zur Frage, wie sich Innovationen und Resilienz ergänzen können, erklärt Prof. Jakob Edler, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer ISI und Co-Autor des Policy Briefs: „Die Erkenntnisse aus der Innovationsforschung helfen dabei, die langfristige Anpassungsfähigkeit in Zeiten von Krisen und Disruptionen zu stärken und Transformationsprozesse aktiv zu gestalten. Gleichzeitig bietet die Resilienz-Forschung wichtige Impulse zur Weiterentwicklung von Innovationssystemen – insbesondere was die Komplexität und Vorhersagefähigkeit wichtiger technischer, ökologischer und sozialer Trends anbelangt. In Phasen hoher Entscheidungsunsicherheit und Komplexität ist der Auf- und Ausbau entsprechender Systemeigenschaften wichtig. Innovationen und Resilienz sollten daher Hand in Hand gehen und strategisch gefördert werden.“

Bild oben: Vor schwierigen Situationen sollte man sich am besten bereits wappnen bevor sie eintreten. Foto: Pixabay/Capri23auto

Von fil