Der Sauerstoffgehalt in den Süßwasserseen nimmt rapide ab – um ein Vielfaches schneller als in den Ozeanen. So sank zum Beispiel in den letzten vier Jahrzehnten der Sauerstoffgehalt im tiefen Wasser von Seen der gemäßigten Breiten um fast 19 Prozent. Dies zeigt eine heute in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie, an der auch das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt war. Den Rückgang führen die Forschenden vor allem auf den Klimawandel zurück. Sie sehen die Artenvielfalt im Süßwasser und die Qualität des Trinkwassers gefährdet.

Das internationale Forschungsteam unter Leitung des US-amerikanischen Rensselaer Polytechnic Instituts analysierte insgesamt über 45.000 Sauerstoff- und Temperaturprofile, die seit 1941 von fast 400 Seen rund um den Globus gesammelt wurden. Die meisten Langzeitdaten stammen aus der gemäßigten Zone, die sich von Norwegen bis Spanien und von Sibirien bis zur Mongolei erstreckt. Wie die Analysen zeigen, ist der Sauerstoffgehalt in den untersuchten Seen seit 1980 um 5,5 Prozent an der Oberfläche und um 18,6 Prozent in der Tiefenzone gesunken. Seen verlieren damit etwa 3 bis 9 Mal schneller Sauerstoff als die Ozeane – ein Rückgang, der Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem hat.

Auch im See gilt: Ohne Sauerstoff geht es nicht

„Alle höheren Lebewesen brauchen Sauerstoff. Wenn Sauerstoff verloren geht, gehen höchstwahrscheinlich auch Arten verloren“, sagt Kevin Rose, Autor der Studie und Professor am Rensselaer Polytechnic Institut. Außerdem reguliert die Verfügbarkeit von Sauerstoff viele Einflussfaktoren der Wasserqualität: In Abwesenheit von Sauerstoff vermehren sich beispielsweise methanogene Archaebakterien, die ohne Sauerstoff wachsen können und verstärkt das Treibhausgas Methan produzieren. Als Folge des Sauerstoffverlustes könnten Seen zukünftig erhöhte Mengen an Methan in die Atmosphäre freisetzen. Darüber hinaus setzen Sedimente unter Sauerstoffabwesenheit große Mengen an Phosphor frei, was zu einer zusätzlichen Nährstoffbelastung und einem weiteren Sauerstoffverlust in den Gewässern führt.

Unterschiedliche Prozesse bewirken Sauerstoffschwund

Der Sauerstoffverlust des Oberflächenwassers ist zum großen Teil einfache Physik: Die Sauerstoffsättigung – also die Menge an Sauerstoff, die das Wasser aufnehmen kann – sinkt, wenn die Temperatur steigt. Während die Temperatur des Oberflächenwassers um 0,38 Grad Celsius pro Jahrzehnt anstieg, sank im gleichen Zeitraum die Konzentration von gelöstem Sauerstoff im Oberflächenwasser um 0,11 Milligramm pro Liter.

„Im Stechlinsee – früher einer der schönsten Klarwasserseen Nordostdeutschlands – dehnt sich die sauerstofffreie Zone an der tiefsten Stelle des Sees seit etwa 10 Jahren kontinuierlich aus und führt dazu, dass der See im Herbst ab einer Tiefe von 40 Metern keinen Lebensraum für Tiere wie die endemische Fotanemaräne mehr bietet“, erläutert Professor Hans-Peter Grossart vom IGB, Co-Autor der Studie.

Es gibt aber auch gegenteilige Effekte: Einige Seen weisen an der Oberfläche bei steigenden Temperaturen erhöhte Konzentrationen an gelöstem Sauerstoff auf. Das betrifft vornehmlich Seen, die durch Landwirtschaft und Siedlungen mit nährstoffreichen Abflüssen belastet sind und daher ein hohes Algenwachstum haben. Das liegt möglicherweise daran, dass hohe Temperaturen und ein erhöhter Nährstoffgehalt Cyanobakterienblüten begünstigen, deren Photosynthese zu einer Sauerstoff-Übersättigung im Oberflächenwasser führt. „Der Anstieg der Konzentration an gelöstem Sauerstoff in einigen Seen kann auf einen Anstieg der Algenblüten hinweisen, die für die Umwelt und den Menschen schädlich sein können“, erklärt Dr. Benjamin Kraemer vom IGB, ebenfalls Co-Autor der Studie.

Verlängerte Schichtung des Wassers führt zu Sauerstoffarmut in der Tiefe

Der Sauerstoffverlust in tieferen Wasserschichten folgt einem komplexen Prinzip und hängt mit den steigenden Wassertemperaturen an der Oberfläche und einer längeren Wärmeperiode im Jahresverlauf zusammen: Erwärmt sich das Oberflächenwasser bei stabilen Tiefwassertemperaturen, nimmt der Dichteunterschied zwischen diesen Schichten, die sogenannte thermische Schichtung, zu. Je stärker und länger diese Schichtung ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Durchmischung. So gelangt weniger Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten.

„Binnengewässer werden in der aktuellen Klimadiskussion nach wie vor zu wenig berücksichtigt, obwohl Veränderungen dieser Ökosysteme weitreichende Konsequenzen für uns Menschen haben. In einigen deutschen Seen, beispielsweise im Stechlinsee, ist der Sauerstoffschwund schon kritisch und führt zu vollständig sauerstofffreien Zonen in der Tiefe. Dies bedroht nicht nur Tiere, sondern auch wichtige Ökosystemfunktionen der Gewässer wie etwa die Trinkwasserversorgung“, resümiert Hans-Peter Grossart.

Bild oben: Im Stechlinsee gibt es bereits riesige Totzonen. Foto:

Von fil