Polystyrol zählt zu den Kunststoffen, die sich nur schwer wiederverwerten lassen. Besonders in Form von Styropor stellt es eine Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft dar. Weltweit entstehen jährlich rund 20 Millionen Tonnen Polystyrol-Abfall, der bislang nur in geringem Umfang recycelt wird. Ein Forschungsteam der Universität des Saarlandes hat nun ein Verfahren entwickelt, das Polystyrol in hochwertige Ausgangsstoffe für die Nylonproduktion überführt. Die Arbeit wurde im Chemical Engineering Journal veröffentlicht.
Im Zentrum der Entwicklung steht der gezielte Einsatz des Bakteriums Pseudomonas putida. Durch biotechnologische Modifikationen wurden die Mikroorganismen so angepasst, dass sie aufbereitete Polystyrol-Bausteine verwerten und in Muconsäure umwandeln. Diese lässt sich anschließend in Adipinsäure und Hexamethylendiamin zerlegen. Beide Substanzen dienen als Basiskomponenten für die Herstellung von Nylon, einem in zahlreichen technischen und alltäglichen Anwendungen genutzten Kunststoff.
Chemische Vorbehandlung ermöglicht biologisches Upcycling
Die mikrobielle Verwertung erfordert eine chemische Vorbehandlung des Polystyrols. In einem energieeffizienten Verfahren wird der Kunststoff in seine molekularen Grundbausteine zerlegt. Diese dienen den Bakterien anschließend als Substrat. Das Verfahren unterscheidet sich damit grundlegend von klassischem Recycling, da nicht das Material selbst, sondern dessen chemische Bestandteile als Rohstoffquelle dienen.
Materialeigenschaften auf dem Niveau erdölbasierter Produkte
Die durch das neue Verfahren gewonnenen Stoffe wurden am Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken untersucht. Die Analyse ergab, dass die Nylon-Bausteine aus recyceltem Polystyrol in ihren physikalischen Eigenschaften den erdölbasierten Produkten entsprechen. Damit erfüllt das Upcyclingverfahren zentrale Anforderungen der Industrie hinsichtlich Qualität und Belastbarkeit.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor
Neben dem Team um Christoph Wittmann, Professor für Systembiotechnologie, waren Polymerchemiker der Gruppe von Markus Gallei sowie Materialwissenschaftler unter Leitung von Aránzazu del Campo beteiligt. Weitere Beiträge kamen von Forschungseinrichtungen in Dortmund und Wien. Die enge räumliche und fachliche Zusammenarbeit auf dem Campus der Universität des Saarlandes spielte eine zentrale Rolle für den Projekterfolg.
Neue Perspektiven für die Kunststoffkreislaufwirtschaft
Das Vorhaben wurde im Rahmen des EU-Förderprojekts Repurpose unterstützt. Die Ergebnisse bieten neue Ansatzpunkte für die stoffliche Nutzung von Polystyrol und zeigen, dass biotechnologische Verfahren eine tragfähige Ergänzung zu bestehenden Recyclingtechnologien darstellen können. Die vollständige Integration von Polystyrol in den Stoffkreislauf wird dadurch realistischer. Für Christoph Wittmann steht fest, dass solche Fortschritte nur im engen Zusammenspiel mehrerer Disziplinen möglich sind.
Bild oben: Prof. Dr. Christoph Wittmann. Foto: Michael Simon