IQPAK® ist ein neuartiges Verpackungssystem, das der Industrie gleich mehrere Problemlösungen anbietet: Das gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt entwickelte System zielt auf die materialminimalistische, ökologisch sinnvolle Verbindung von Ein- und Mehrwegkomponenten. Außerdem nutzt es schon heute den Digitalen Produktpass und optimiert so Logistik, Verbrauchererfahrung, Recycling und CO2-Bilanzierung. Dr. Susanne Guth-Orlowski, Expertin für Kreislaufwirtschaft und Digitale Produktpässe, hat sich IQPAK® als innovative Verpackung für Lebensmittel im Großhandels-, To-Go- und Gastronomie-Bereich, aber auch für Chemie- und Kosmetikartikel näher angesehen.

Drei-Schichten-Lösung als Kombination von Einweg- und Mehrweg-Verpackung

Die innovative und massenmarktfähige Verpackung IQPAK® besteht aus drei Materialschichten, die nicht miteinander verklebt sind (siehe Abbildung 1):

  • Die äußere Schicht (Handling-Layer) dient der Präsentation von Marketing- und Produktinformationen. Diese Schicht ist ein Einweg-Element der Verpackung, das bei jeder Wiederverwendung erneuert wird; beim Refurbishment wird jedoch recyceltes Material aus dem IQPAK®-Kreislauf benutzt.
  • Die mittlere Schicht (System-Layer) besteht ebenfalls zu 100 Prozent aus recyceltem Material. Sie ist für die Verpackung formgebend; der System-Layer macht die IQPAK®-Verpackung robust und stabil. Im Boden dieser Schicht ist ein NFC-Chip verbaut, der 200-300 Produktlebenszyklen übersteht. Eine derart häufige Wiederverwendung macht den Chip wirtschaftlich. Auch ökologisch ist er vertretbar, da er von einer passiven Spule betrieben wird und keine Batterie benötigt. Der System-Layer ist die Mehrweg-Komponente des IQPAK®-Systems.
  • Die innere Schicht (Content-Layer) wird aus neuem Material gefertigt und ist ebenfalls eine Einweg-Komponente der Verpackung. Sie erfüllt höchste Hygieneansprüche, speziell bei Lebensmittelverpackungen. In diese Schicht werden die jeweiligen Füllgüter gegeben. Beim Refurbishment wird ein neuer Content-Layer maschinell in den System-Layer gesetzt; für eine 500-ml-Verpackung benötigt man dafür etwa 3-4 Gramm Material, welches nach jedem Nutzungskreislauf in die hauseigenen Recyclingkreisläufe eingespeist und als neue System-Layer wiederverwendet wird.
Verarbeitungstechnikum am Fraunhofer LBF in Darmstadt. LBF-Fachleute haben hier im Chill-Roll-Verfahren unterschiedlich dicke Folien für die Handling- und Content-Layer des IQPAK-Systems hergestellt. Foto: Fraunhofer LBF
BU: Von einer solchen Thermoformmaschine wird der dünne Content- in den stabilen System-Layer eingebracht – ein schneller und mechanisch einfacher Prozess. Foto: Fraunhofer LBF

Alle drei Schichten sind aus Polypropylen-Monomaterial (PP) gefertigt. Polypropylen weist gute Recycling-Eigenschaften auf: Es lässt sich gut einschmelzen und als Rezyklat wiederverwerten. Da die äußere Schicht, der Handling-Layer, bei der Wiederverwendung meist erneuert wird, eignet sich ein aufgedruckter QR-Code zur Identifizierung der Verpackung hier nicht. Der NFC-Chip im Boden des formstabilen System-Layers jedoch enthält durch Zugriff auf die in der IQPAK®-Datenbank abgelegten Daten sämtliche Informationen zu den Materialeigenschaften aller drei Schichten, was die sortenreine Trennung und das automatisierte, einfache Recycling der IQPAK®-Multilayer möglich macht.

Die Abteilung „Kunststoffverarbeitung und Bauteilauslegung“ am Fraunhofer LBF unter der Leitung von Dr. Christian Beinert hat für IQPAK® den Mehrweg-Ansatz und die Ökobilanz der Materialauswahl bewertet sowie die Tauglichkeit zur Umsetzung in Großserie evaluiert. Auch bei der Entwicklung des Behälterfertigungs- und Refurbishment-Maschinenparks für IQPAK® ist das Fraunhofer-Institut involviert.

Die patentierte Verpackung erfordert bei der Wiederverwendung keinen energieintensiven Waschprozess. [PL1] [KR2] Somit werden Betriebsabwasser, chemische Waschmittel und der übliche hohe Energieverbrauch für die Erhitzung des Wassers vermieden, was sich positiv auf die Ökobilanz von IQPAK® bzw. des verpackten Produkts auswirkt.
Der integrierte NFC-Chip ermöglicht [PL3] [KR4] die einfache Rückverfolgung jeder einzelnen Verpackung, die Kommunikation mit den Verbrauchern sowie ein intelligentes Pfandsystem, das unterschiedliche Pfandwertzuweisungen genauso denkbar macht wie die grenzüberschreitende Rückführung (Cross Border Deposit).
Das vorliegende Gutachten zur Umweltbewertung (erstellt im Sommer 2023 durch das ifeu in Heidelberg) bescheinigt dem IQPAK®-System z.B. für 1.000 aus recyceltem PP (rPP) hergestellte Becher einen Cradle-to-Grave-Wert von 3,14 kg CO2e. Das bedeutet eine Emissionseinsparung von 56 % im Vergleich mit einem handelsüblichen Pfand-Mehrwegbecher, der gewaschen werden muss.

Intelligentes Kreislaufsystem auf Basis automatisierter Datenerhebung

IQPAK® ist, wie der Name bereits andeutet, eine intelligente Verpackungsinnovation, die vor allem durch die Nutzung von Daten einen Mehrwert bietet. Es ist kein Geheimnis, dass Kreislaufwirtschaft heute noch nicht ausreichend möglich ist, weil die Informationen wie z.B. zu Material, Herkunft, Wiederverwendung und Rückgabestellen nicht vorliegen, wenn der Verbraucher das Produkt nach der Nutzung entsorgen möchte.[1]

Mit den „eingebauten“ Daten des IQPAK®-IT-Systems wird besonders der Rücklauf von Verpackungen stark verbessert. Jede Verpackung hat eine eindeutige Identität, die mit der Seriennummer des Chips verknüpft ist. Die Handelspartner scannen den NFC-Chip der Verpackung und erfassen so deren Aufenthaltsort über die Global Location Number (GLN) des Verkäufers bzw. der Rückgabestation.

Dies ermöglicht einen effizienten Logistikprozess, welcher auf Echtzeitdaten basiert. Die Bewegung jedes einzelnen Behälters im IQPAK®-Kreislauf, egal, ob er sich im Refurbishment, in der Abfüllung, im Transport, Großmarkt, Handel, bei den Konsumenten, im Rückgabecontainer oder in der Recyclingstation befindet, wird über den Scanvorgang via NFC-Chip direkt in die Systemdatenbank geschrieben, wodurch der Betreiber stets den Überblick über den Verbleib der Verpackungen behält. So lässt sich zum einen der Pool aller im Umlauf befindlichen Verpackungen einfach managen, zum anderen die Rücklaufquote gut evaluieren. Ist die Rücklaufquote zu gering, kann man sogar das Pfand der Verpackung erhöhen, um Verbraucher zur Rückgabe zu motivieren. Die Nutzungshäufigkeit der Verpackungen wird so aktiv gesteuert und maximiert. Dadurch müssen weniger komplett neue Verpackungen als bei herkömmlichen Mehrwertverpackungen produziert werden.

Die Handelspartner werden aktiv in den Rückgabeprozess eingebunden (Reverse Logistics). Eine Herausforderung besteht darin, dass in Märkten oft nicht genügend Platz vorhanden ist, um größere Mengen zurückzunehmen. Johann Löning, Visionär und Geschäftsführer von IQPAK®, sieht hier zukünftig intelligente Rückgabe-Container, die automatisch melden, wenn sie voll sind, um dann bei Bedarf abgeholt zu werden. In „Smart Cities“ wie Willich in Nordrhein-Westfalen setzt die Müllabfuhr ein ähnliches System bereits erfolgreich ein.[2]

Digitaler Produktpass zum Umsetzen der R-Strategien

Auch für die Verbraucher bietet IQPAK® Vorteile: Durch einfaches Auslesen des NFC-Chips mit dem Mobiltelefon können sie die Rückgabestellen für die Verpackungen finden und die positiven Umwelteffekte erkennen, die sie durch die Nutzung und die Rückgabe von IQPAK®-Verpackungen erzielen. Aktuell wird hierzu eine App eingesetzt, die auch den Pfandwert bei Rückgabe auf null setzt und dem Verbraucher sein Geld zurückgibt. Diese Funktion ermöglicht wechselnde Pfandwerte und verhindert das mehrfache Einlösen des Pfands (das so genannte „double redemption problem“). Da die Bewegungsdaten immer nur mit der Verpackung und nicht mit dem Kunden in Verbindung gebracht werden, ist die Lösung komplett anonym und DSGVO-konform.

Die Vorteile des IQPAK auf einen Blick: Grafik: Ahnen&Enkel

Für Verbraucher ist aber nicht nur die Information zur Rückgabe interessant. Vor der Kaufentscheidung wollen sie eventuell gern mehr über das Produkt und seine Inhaltstoffe erfahren: Ist das Produkt vegan oder halal? Enthält es Spuren von Nüssen? Aber auch: Wo wurde das Produkt hergestellt? Wurden die Mitarbeiter während der Produktion fair bezahlt? Hat das Produkt eine anerkannte Umwelt-Zertifizierung? Der NFC-Chip erlaubt es Kunden, umstandslos Herstellerinformationen zu erhalten und auch zu interagieren. Hersteller bekommen so direkten Kontakt zu ihrer Zielgruppe, können Gewinnspiele, Kampagnen, Gebrauchsanweisungen und Werbenachrichten flexibel platzieren und müssen manche Angaben nicht mehr auf der bereits übervollen Verpackung anbringen.

Mit dem NFC-Chip in der Verpackung ist IQPAK® bereit für den Digitalen Produktpass, der ab 2027/2028 von der Ökodesign-Verordnung (engl. Ecodesign for Sustainable Products Regulation, kurz ESPR)[3] für eine Vielzahl von Produkten vorgeschrieben ist. Der Digitale Produktpass soll durch zusätzliche Informationen zum Produkt die sogenannten R-Strategien (engl. Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture,  Repurpose, and Recycle) ermöglichen. Für Kosmetik, Waschmittel, Farben und Lacke, Chemie- und Plastikprodukte etc. müssen dann Daten zur Zusammensetzung des Produkts, zur Umweltverträglichkeit, zur Wiederverwendung und zum Recycling für Kunden und andere Akteure im Produktlebenszyklus zur Verfügung stehen.

Positive Auswirkung auf die Ökobilanz

Die Ökobilanz eines Produkts verbessert sich signifikant, wenn seine Verpackung häufig wiederbenutzt wird. Auch hier hilft die IQPAK®-Datenbank im Hintergrund: Sie kennt die Anzahl der bereits absolvierten Umlaufzyklen, weiß um die jeweiligen vorherigen Füllgüter und kann so Konflikten beim Wiederbefüllen vorbeugen.

Die technische Lösung hinter IQPAK® ist aktuell proprietär; man ist aber offen für eine Standardisierung der technischen Protokolle, der Datenmodelle und der Datenhaltung, so wie sie gerade in der Arbeitsgruppe CEN/CENELEC JTC24[4] für den Digitalen Produktpass spezifiziert werden. Durch Standardisierung könnten in Zukunft mehrere IQPAK®-Hersteller zusammenarbeiten, es könnten übergreifende Reuse- und Recycling-Prozesse entwickelt werden und die aktuell noch notwendige App wegfallen. Endkunden könnten dann noch einfacher auf die Produkt- bzw. Verpackungsinformationen zugreifen.

Vergleich IQPAK® mit aktuell handelsüblichen Mehrweg-Lösungen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Besonderheiten der IQPAK®-Verpackung.

Zusammenfassung

IQPAK ist eine innovative und klimafreundliche Lösung für die Verpackungsindustrie. Sie minimiert nicht nur den ökologischen Fußabdruck, sondern schlägt auch eine Brücke in die digitale Welt. IQPAK® unterstützt Unternehmen dabei, sowohl gesetzlich vorgeschriebene als auch selbst gesteckte Nachhaltigkeitsziele und Recyclingquoten zu erreichen und sich von weniger nachhaltigen Produkten klar abzusetzen. Mit seinen zukunftsweisenden Funktionen setzt IQPAK® neue Standards in Sachen Kreislaufwirtschaft und Verbraucherinteraktion und könnte schon bald eine neue Verpackungskultur etablieren.

Dr. Susanne Guth-Orlowski. Foto: Foto Naus, Willich

Autorin: Dr. Susanne Guth-Orlowski ist Expertin für Kreislaufwirtschaft und digitale Produktpässe. Sie berät dazu u.a. die Europäische Kommission, die Global Battery Alliance und auch IQPAK®. Mit ihrem IT-Sicherheits-Hintergrund entwickelt sie seit 20 Jahren und Endkunden- und Industrielösungen, mit sicherem Datenaustausch. Sie ist Gründerin der Beratungsagentur 4TheRecord.io und Co-Founderin des CircularTech Forums. Frau Dr. Guth-Orlowski ist überzeugt, dass moderne Technologie helfen kann, die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Sie entwickelt strategische und technische Konzepte für den digitalen Batteriepass und dessen Markteinführung, welcher es ermöglichen wird, Batterien besser wiederzuverwenden oder zu recyceln und damit die Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

Fußnoten:
[1] Holger Berg, Raik Kulinna, Carsten Stöcker, Susanne Guth-Orlowski, Ricky Thiermann, Natalie Porepp, „Overcoming information asymmetry in the plastics value chain with digital product passports: How decentralized identifiers and verifiable credentials can enable a circular economy for plastics”, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2022, abgerufen am 01.05.2024 unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/7940v
[2] https://www.kommune21.de/meldung_41994_Smarte+Abfallentsorgung+mit+KI.html
[3] European Commission, Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR), soll im Mai 2024 ratifiziert werden. Vgl. https://commission.europa.eu/energy-climate-change-environment/standards-tools-and-labels/products-labelling-rules-and-requirements/sustainable-products/ecodesign-sustainable-products-regulation_en.
[4] CEN/CENELEC, Joint Technical Committee (JTC) 24, Digital Product Passports: Framework and System, https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nia/europaeische-gremien/wdc-grem:din21:373704954

Bild ganz oben: Ein auseinandergenommer IQPAK-Trinkbecher-Dummy: Vorn die dünnen Folien von Handling- und Content-Layer, hinten der dickwandigere System-Layer, in dessen Boden der NFC-Chip zur Zuordnung im Datenbanksystem integriert ist. Foto: Fraunhofer LBF

Von fil