Viele Lösungen sind da, doch die Bedingungen stimmen nicht. Professor Christian Bonten sieht die Kunststoffbranche in einer paradoxen Lage. Technisch ist Recycling möglich, wirtschaftlich bleibt es oft chancenlos. Auf der K-Messe in Düsseldorf spricht der Institutsleiter des IKT in Stuttgart über das Spannungsverhältnis zwischen Potenzial und Praxis – und fordert unter anderem mehr Realitätssinn in der politischen Debatte.
„Die Stimmung hier auf der Messe ist schlechter als letztes Mal, aber besser als erwartet“, sagt Bonten. Viele hätten im Vorfeld ein düsteres Bild gezeichnet. Vor Ort aber zeige sich, dass es durchaus positive Signale gebe. Bei Maschinenherstellern höre er, dass viele Projekte mit Kunden in der Warteschleife seien. „Die Entscheidungen werden zurückgehalten wegen der politischen und dadurch wirtschaftlichen Randbedingungen. Aber der Bedarf ist grundsätzlich da. Man muss nur noch den Knopf drücken.“
Das führe zu einem paradoxen Eindruck. Die Branche schwanke zwischen Stillstand und möglichem Aufschwung. „Wenn es wieder losgeht, könnten manche Bereich schnell wieder nicht lieferfähigsein. Von einem Extrem ins andere.“
Kunststoffrecycling braucht politische Klarheit
Über das Recycling spricht Bonten differenziert. Technisch sei viel erreicht worden, wirtschaftlich dagegen stocke die Umsetzung. „Das Rezyklat ist oft teurer als der Primärkunststoff. Da muss man sich fragen, ob es nicht Rahmenbedingungen braucht, die den Einsatz von Recyclingmaterial fördern.“ Er verweist auf positive Beispiele, etwa auf der Sonderfläche der K-Messe um den VDMA-Stand herum, wo hochwertige Anwendungen mit Rezyklaten realisiert werden. „Technisch ist vieles da. Die Rahmenbedingungen könnten besser sein.“
Bonten betont, dass das Arbeiten mit Rezyklaten ein europäisches Thema ist. Rezyklate zu importieren hält er für keine Lösung und: „Wir werden unseren Kunststoffabfall nicht mehr exportieren. “
Ökobilanz statt Bauchgefühl
Ein weiteres Anliegen ist ihm die Bewertung von Materialien. Er fordert ein standardisiertes System, das auf Ökobilanzen basiert. „Ich hätte gerne eine Besteuerung von Produkten, die sich an der Ökobilanz des Produktes orientiert. Wenn der Kunststoff für ein Produkt einmal oder mehrfach im Kreis gefahren wurde, dann wird die Ökobilanz des Produktes besser sein werden als die der Neuware.“ Es ist schön, dass der Endkunde den Rezyklat-Einsatz in Verpackungen nicht nur akzeptiert, sondern auch fordert. „Wenn die Lenor-Flasche Schlieren hat oder die PET-Flasche bei Lidl trüber ist als die Neuware, ist das gut. Der Konsument sieht, dass ernst gemacht wird. Das ist gut.“
Auch im technischen Bereich gebe es überzeugende Beispiele. „Wir haben flammgeschütztes ABS gemeinsam mit einem Industriepartner mehrfach rezykliert und festgestellt, dass der Flammschutz trotzdem funktioniert..“
Flexibilität statt Perfektion
Die Diskussion über Ästhetik sei dabei nicht zu unterschätzen. „Früher galt jede Abweichung von der Idealoptik als Makel. Heute sehen wir Produkte, bei denen wieder – wie in den 50er und 60er Jahren – bewusst mit Schlieren und Farbverläufen gespielt wird. Diese Marmorierung erinnert an frühe Naturmaterialien wie z.B. für Hornkämme und verschleiert zugleich die Imperfektionen von Produkten aus Rezyklat. Das macht Produkte wieder individuell, alles andere als minderwertig.“
Wissenschaft mit Wirkung
Bonten spricht auch über den Science Campus der K-Messe. „Recycling ist neben Biokunststoffen zur Vermeidung von ölbasierten Kunststoffen ein wichtiges Thema, aber nicht das einzige. Wir zeigen auch Anwendungen aus der Brennstoffzellentechnik, Elektromobilität ohne Seltene Erden und Anderes, bei denen Kunststoff und Kunststofftechnik ein Enabler sind.“
Zum Schluss sagt Bonten, was ihn trotz aller Hürden optimistisch macht. „Es gibt tolle Projekte, gute Leute in der Branche, und technisch ist wirklich viel möglich. Ich bleibe Optimist!“
Bild oben: Prof. Christian Bonten ist Leiter des Instituts für Kunststofftechnik in Stuttgart. Foto: Circular Technology
