Zwei Unternehmen, zwei Welten und eine gemeinsame Mission für mehr Materialverantwortung – Wildplastic und Wittmann sind auf den ersten Blick ein ungleiches Paar. Hier ein junges Hamburger Unternehmen mit starker sozial-ökologischer Mission, dort ein etablierter Maschinenbauer mit internationalem Kundenstamm. Doch genau diese Unterschiedlichkeit macht die Partnerschaft besonders. Auf der K 2025 demonstrieren beide Unternehmen gemeinsam, wie viel Innovationspotenzial in echter Kooperation steckt – technologisch, kommunikativ und gesellschaftlich.

Wildplastic verfolgt seit seiner Gründung das Ziel, sogenanntes „wildes Plastik“ aus der Umwelt zurückzuholen. Dabei handelt es sich um Kunststoffe, die außerhalb etablierter Sammel- und Recyclingsysteme entstanden sind und meist in Ländern mit wenig regulierter Abfallwirtschaft zu finden sind. Das Unternehmen arbeitet vor Ort mit Partnerorganisationen etwa in Haiti, Indien oder Nigeria zusammen. Die gesammelten Materialien werden aufbereitet, zu Regranulat verarbeitet und in neue Produkte überführt. „Unsere Mission ist es, die Welt von wildem Kunststoffmüll zu befreien“, sagt Mitgründer Tim Lampe. „Das heißt, wir arbeiten mit Organisationen in Ländern, wo die Abfallwirtschaft nicht so funktioniert wie bei uns.“

Wildplastic begreift sein Geschäftsmodell als Mischung aus unternehmerischem Engagement, Umweltschutz und globaler Verantwortung. Dabei steht nicht nur die Ökobilanz im Vordergrund, sondern auch die soziale Wirkung: Die Rückgewinnung des Plastiks schafft Einkommen, sichert Existenzen und verbessert die Infrastruktur vor Ort.

Ein Projekt als Wegweiser

Der „Wild Pot“ besteht zu 100 % aus recyceltem Post-Consumer-Material (PCR). Foto: Wittmann

In der Kooperation mit Wittmann wurde aus dieser Vision ein industriell gefertigtes Produkt: der Wild Pot, ein vollständig aus recyceltem Kunststoff hergestellter Behälter. Während der K wurde PCR aus zwei unterschiedlichen Quellen verarbeitet. Vor allem kam ein rezykliertes PP von Wildplastic zum Einsatz, das im Senegal aus der Umwelt gerettet wurde. Zum anderen rezykliertes PP von Borealis, das im Rahmen des Projekts STOP in Indonesien gesammelt wurde.
Gemeinsam mit Wittmann gelang es, das Material innerhalb kürzester Zeit prozesssicher zu verarbeiten. „Wir haben das Material vier Wochen vorher gesehen und getestet. Alle haben gesagt, das klappt auf keinen Fall. Und dann war der erste Schuss ein Treffer“, erinnert sich Tim Lampe. Für Wildplastic war dies ein Beweis, dass ihre Materialqualität den Anforderungen industrieller Verarbeitung standhält.

Der „Wild Pot“ wurde auf der K Messe live gefertigt: Die EcoPower 180/750+ DC in der Insider Version, gepaart mit dem WX142 DC WITTMANN Roboter war dafür perfekt geeignet. Foto: Wittmann

Der Wild Pot wurde auf einer herkömmlichen Spritzgießmaschine von Wittmann gefertigt – unter Einsatz des Cellmould-Verfahrens, einem physikalischen Schaumspritzgießprozess. Die Technologie erlaubt die Reduktion von Materialeinsatz und Gewicht, ohne dabei die strukturelle Integrität zu gefährden. Für den Maschinenbauer ein weiterer Beleg, dass sich Kreislaufwirtschaft mit bestehender Technik umsetzen lässt.

„Es braucht keine High-Tech-Maschine“, erklärt Susanne Zinckgraf, Leiterin Strategisches Marketing bei Wittmann. „Man kann mit herkömmlicher Spritzgießtechnologie PCR zu hochwertigen Produkten verarbeiten.“

Mehr als Technologie – gegenseitiges Lernen

Die Kooperation ist aber nicht nur technisch erfolgreich, sondern auch kulturell bereichernd. Beide Unternehmen profitieren vom Perspektivwechsel. Wittmann bringt seine jahrzehntelange Erfahrung in der Kunststoffverarbeitung ein, Wildplastic seine kommunikative Stärke und den Zugang zu einer jüngeren Zielgruppe – auch außerhalb der Kunststoffindustrie. „Ich finde es total toll, wie ihr das macht. Ihr erreicht die jungen Menschen, die Kunststoffen gegenüber kritisch eingestellt sind, und leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Information. Da tun wir uns als Maschinenbauer mit B2B-Fokus schwer“, so Zinckgraf im Gespräch.

Tim Lampe betont ebenfalls die Offenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe: „Wir haben uns bei Wittmann wahnsinnig willkommen gefühlt. Wir sind da reingekommen mit einer verrückten Idee. Aber es wurde gesagt: lasst uns das probieren, wir machen das.“ Das Vertrauen in die gemeinsame Vision habe sich als Schlüssel für den Erfolg erwiesen. Für beide Seiten sei es wichtig gewesen, nicht nur über Nachhaltigkeit zu reden, sondern sie konkret umzusetzen.

Wertschöpfung durch Wertschätzung

Wild Plastic rettet Kunststoffabfälle aus der Umwelt und stellt dann aus dem aufbereiteten Material Produkte wie die Beutel her. Foto: Wild Plastic

Die Partnerschaft hat für beide Unternehmen strategischen und ideellen Mehrwert. Wittmann macht transparent, dass die verfügbare Spritzgießtechnik bereits sehr gut aufgestellt ist, um PCR unter anspruchsvollen Bedingungen zuverlässig zu verarbeiten. Das stärkt das Vertrauen von Kunden, die zunehmend auf PCR setzen müssen oder wollen. Wildplastic wiederum erhält Zugang zur industriellen Wertschöpfungskette – ein entscheidender Schritt, um das gesammelte Material in hochwertige Produkte zu überführen. „Wir liefern auch. Wir wollen beweisen, dass es wirtschaftlich funktioniert“, sagt Lampe. Das Unternehmen sei bewusst als GmbH organisiert, um zu zeigen, dass Nachhaltigkeit und Profitabilität kein Widerspruch sind.

Kreislaufwirtschaft mit Substanz

Die Zusammenarbeit ist ein Beispiel dafür, wie Kreislaufwirtschaft jenseits von Symbolik und Pilotcharakter in die Breite getragen werden kann. Der Wild Pot mag ein einzelnes Produkt sein. Doch er steht für einen systemischen Ansatz. Für ein Denken, das Recycling nicht als nachgelagerten Prozess, sondern als integralen Bestandteil der Produktentwicklung begreift. Für Materialien, die nicht nur recycelt, sondern auch kommuniziert werden müssen. Und für Partnerschaften, die mehr sind als Lieferbeziehungen – nämlich geteilte Verantwortung.

Ein Weg, der weiterführt

„Draußen liegen noch sechs Milliarden Tonnen“, sagt Tim Lampe mit Blick auf das globale Müllaufkommen. Für ihn ist der Wild Pot nur der Anfang. Die eigentliche Aufgabe beginnt jetzt: Wege zu finden, wie diese Materialien dauerhaft in funktionierende Kreisläufe integriert werden können. Die Partnerschaft mit Wittmann ist dafür ein wichtiger Meilenstein. Und vielleicht ein Modell, das Schule macht.

Bild oben: Auf der K-Messe 2025: (v.l.) Susanne Zinckgraf, Head of Strategic Marketing bei Wittmann, Dominik Bechlarz, Redakteur der K-Zeitung, Philipp Lubos, Circular Technology und Tim Lampe, Geschäftsführer Wild Plastic. Foto: Circular Technology

 

Von fil