Von der Sektorkopplung bis zum Wasserstoff, von der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes bis hin zum europäischen Green Deal: Um Klimaneutralität zu erreichen, braucht es eine koordinierte und effektive Politiksteuerung über einzelne Ressorts hinweg. Klimapolitik ist eine Querschnittsaufgabe, denn von der Stromerzeugung über Industrie, Gebäude und Verkehr bis hin zur Landwirtschaft müssen alle Sektoren mit hohem Tempo treibhausgasneutral werden. Fachleute des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne haben zentrale Probleme der staatlichen Steuerung deutscher Klimapolitik untersucht und Lösungsoptionen vorgelegt. Das Papier ging im Vorfeld der Veröffentlichung auch Verhandlern der Koalitionsgespräche zu.

„Die Anforderungen an die Klimapolitik sind mit der Zeit gewachsen. Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, reichen alte Strukturen nicht mehr aus. Für den Weg zur Klimaneutralität 2045 brauchen wir deshalb neue institutionelle Rahmenbedingungen, die eine effektive Steuerung der Mammutaufgabe Klimaneutralität gewährleisten“, sagt Christian Flachsland vom Centre for Sustainability der Hertie School in Berlin, einer der Autoren des Kurzdossiers. „Dazu gehören eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und entsprechende Kompetenzen.“ So hebt etwa der Entwurf des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP den Querschnittscharakter der Klimapolitik stark hervor. Ein Klimaschutzministerium soll Wirtschaft, Energie und Klima vereinen. Doch eine wirksame Reform der Regierungsarbeit geht deutlich über die Schaffung eines Klimaministeriums hinaus, zeigt das Papier der Autorinnen und Autoren verschiedener Disziplinen von sieben Instituten des Ariadne-Konsortiums.

Eine wesentlich größere Rolle als bislang könnte das Bundeskanzleramt spielen: Durch eine stärkere Koordination der Fachressorts und den Aufbau einer neuen Abteilung für Klimapolitik in einem „Klimakanzleramt“ könnte ein entscheidender Beitrag zur Stärkung der klimapolitischen Steuerung geleistet werden. Ebenso wichtig ist den Fachleuten eine zentrale Rolle des Klimakabinetts als Dreh- und Angelpunkt der deutschen Klimapolitik. „Kombiniert mit der Einrichtung stehender interministerieller Arbeitsgruppen als Knotenpunkte in die Ressorts, könnte die Zusammenarbeit bei wichtigen Querschnittsthemen deutlich verbessert werden, sagt Michèle Knodt vom Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt, eine der Autorinnen des Papiers. „Dazu könnte auch ein anderer Ansatz der Lösungsfindung beitragen: Statt zum Beispiel Vorschläge einzelner Ministerien so lange zu diskutieren, bis ein Minimalkonsens über unterschiedliche Ressorts erreicht ist, könnte eine positive Koordination die einzelnen Häuser bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Prozess einbinden und durch einen intensiveren und kreativeren Dialog neuartige Lösungswege befördern.“

Effizientere Planungsprozesse, stärkeres Monitoring, klare Rollen der Expertenräte

Eine starke Klima-Governance bezieht nicht nur die Institutionen selbst, sondern auch die Politikprozesse mit ein, argumentieren die Fachleute und legen auch hier konkrete Optionen vor: Dazu gehören etwa verpflichtende Folgenabschätzungen bei der Planung und Formulierung von Maßnahmen oder Grünbuch- und Roadmap-Prozesse. So sollten die Entwürfe des im Koalitionsvertrag anvisierten Sofortprogramms 2022 vor ihrer Verabschiedung Folgenabschätzungen unterzogen und diese veröffentlicht werden, um eine Diskussion über die Effektivität der geplanten Maßnahmen in der Erreichung der Klimaziele sowie wichtiger Ziele wie etwa der Kostenverteilung, zu gewährleisten.

Das Monitoring der Wirksamkeit der Politikmaßnahmen könnte durch konkrete Leitindikatoren der Energiewende verbessert werden (etwa zum Infrastrukturausbau, Sanierungsquoten, Verkaufszahlen von E-Fahrzeugen etc.), damit frühzeitig abgeschätzt werden kann, ob gesetzte Maßnahmen tatsächlich greifen. Für die zahlreichen relevanten Expertenräte in Deutschland empfehlen die Fachleute unter anderem eine gemeinsame Klärung der unterschiedlichen Rollen im Klimapolitik-Prozess zwischen den wissenschaftlichen Räten, Kommissionen und der Bundesregierung.

„Die Steuerung der Klimapolitik sollte als iterativer politischer Lernprozess angelegt werden, um kontinuierlich auf technologische, politische und soziale Unwägbarkeiten reagieren und bei Fehlschlägen frühzeitig nachsteuern zu können“, so Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht, einer der Autoren des Papiers. Damit das gelingt, bedarf es einer klaren Definition von Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Prozessen. „Eine neue Bundesregierung sollte diesen Lernprozess, und die dafür erforderliche staatliche Handlungsfähigkeit, durch mutige institutionelle Innovationen stärken“, so Müller.

Bild oben: Effizienter Klimaschutz erfordert klare Koordination. Foto: Pixabay/LMoonlight

Von fil