Klaus Lederer, Business Development Manager Chemical Recycling bei der Erema Gruppe, beobachtet eine zunehmende Zurückhaltung beim Ausbau chemischer Recyclinganlagen. Viele Projekte seien gebremst oder ganz gestoppt worden. Er nennt fehlende gesetzliche Grundlagen, wirtschaftliche Unsicherheiten und geringe Ausbeuten als Hauptgründe. Erema reagiert mit zwei technologischen Plattformen, die auf unterschiedliche Herausforderungen in der Materialaufbereitung zugeschnitten sind. CHEMAREMA und AGGLOREMA sollen neue Möglichkeiten für heterogene und stark verunreinigte Kunststoffströme schaffen.
CHEMAREMA wurde für den Einsatz in chemischen Recyclingprozessen entwickelt. Sie verarbeitet gemischte Polyolefinfraktionen aus Folienmaterialien direkt zu Schmelze, ohne dass vorgelagerte Trocknungs- oder Agglomerationsschritte erforderlich sind. Eine Preconditioning Unit mit der firmeneigenen Counter Current Technologie übernimmt Homogenisierung, Trocknung und Temperaturführung. Anschließend wird das Material einem Einschneckenextruder zugeführt.
Die erzeugte Schmelze kann direkt in den chemischen Reaktor geleitet werden. Die eingesetzte Energie wird vollständig in den nachfolgenden Prozess übertragen. Erste Anwendungen zeigen spezifische Energieverbräuche zwischen 0,2 und 0,3 Kilowattstunden pro Kilogramm Material, abhängig von Feuchtegehalt und Zusammensetzung. Zusätzliche Heiz- oder Kühlvorgänge sind nicht notwendig, was die Effizienz erhöht und den Gesamtprozess stabilisiert.
AGGLOREMA für stark verunreinigte Materialien

Die Plattform AGGLOREMA wurde für Stoffströme entwickelt, die nicht mit klassischen Recyclingmethoden verarbeitet werden können. Dazu gehören gemischte Polyolefin-Fraktionen mit hohem Anteil an Fremdkunststoffen, aber auch Störstoffen wie Papier, Holz, Aluminium oder mineralischen Bestandteilen. Diese können im Material verbleiben, ohne den Prozess zu stören. Das Verfahren arbeitet ohne herkömmlicher Granulierung. Stattdessen nutzt es eine wassergekühlte Schmelzemühle, um ein formstabiles Agglomerat zu erzeugen.
Dieses Agglomerat eignet sich etwa für den Einsatz in robusten Recyclinganwendungen wie dem Bausektor, aber insbesondere als iidealer Feedstock fürs chemische Recycling, und auch als Ersatzbrennstoffe in Zementindustrie sowie Stahlerzeugung. AGGLOREMA bietet eine wirtschaftliche Lösung für Stoffströme, bei denen herkömmliche Recyclingverfahren aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen an ihre Grenzen stoßen.
Ein besonderes Augenmerk bei der Entwicklung der AGGLOREMA wurde auf die Skalierbarkeit und Automatisierbarkeit des Prozesses gelegt. Ohne dabei Kompromisse bei Endprodukt Schüttdichte oder Feuchtigkeit eingehen zu müssen, werden selbst bei hohen Eingangsfeuchten Durchsätze von über 2t/h erreicht.
Marktverhalten bremst den Ausbau
Trotz der technologischen Fortschritte sieht Klaus Lederer die Entwicklung im chemischen Recycling kritisch. Viele Unternehmen zögerten mit Investitionen, da es keine verlässlichen gesetzlichen Regelungen zur Anerkennung chemisch recycelter Materialien gibt. Besonders bei der Massenbilanzierung bestehe immer noch große Unsicherheit. Die wirtschaftliche Lage trage zusätzlich zur Zurückhaltung bei.
Ein zentraler Faktor sei die Ausbeute. Wenn, je nach Wahl der Bilanzierungsmethode, aus hundert Kilogramm Input nur zwanzig Kilogramm chemisch recycelter Kunststoff entstünden, rechne sich das Verfahren nicht. Klaus Lederer betont, dass sich Investitionen nur dann lohnen, wenn Ausbeuten von siebzig Prozent oder mehr realistisch sind. Branchen wie die Automobilindustrie seien besonders auf klare Regeln und stabile Prozesse angewiesen, um ihre Rezyklatquoten zu erfüllen.
Prozessintegration und digitale Kontrolle
CHEMAREMA ist kein Stand-alone-System, sondern Teil eines gesamten Prozessverbundes. Die Übergabe an chemische Recyclingverfahren erfordert stabile Parameter wie Temperatur, Druckverhalten und Materialdurchsatz. Um die Qualität kontinuierlich zu sichern, setzt Erema auf digitale Inline-Messsysteme wie die PredictOn-Module. Diese können Additive und Polymertypen im laufenden Betrieb erkennen. Lederer weist jedoch darauf hin, dass die Systeme bei stark verunreinigten Stoffen an Grenzen stoßen können. Die Anlagenverfügbarkeit wird dank Predictive Maintenance Tools gewährleistet.
Die neue ultraschallbasierte PredictOn:Plastification Unit überwacht den Zustand der Extruderschnecke und des Zylinders in Echtzeit, ohne direkten Kontakt mit der Schmelze. Das bedeutet, dass kritische Zustände der Plastifiziereinheit frühzeitig erkannt werden, um den perfekten Zeitpunkt für Wartungsarbeiten zu bestimmen und ungeplante Maschinenstillstände zu vermeiden. PredictOn:Drive überwacht alle Hauptantriebe der Preconditioning Unit und des Extruders. Eine vollautomatisierte temperaturgesteuerte Prozessführung der Preconditioning Unit macht darüber hinaus die Bedienbarkeit einfacher denn je.
Mangelnde Standardisierung hemmt Skalierung
Ein Problem sei die fehlende Standardisierung von Inputmaterialien. Auch wenn Spezifikationen auf dem Papier ähnlich wirken, unterscheiden sich die tatsächlichen Qualitäten oft erheblich. Das erschwert die Entwicklung skalierbarer Prozesse und stellt hohe Anforderungen an die technische Flexibilität der Anlagen.
Regionale Unterschiede bei Nachfrage und Umsetzung
Laut Lederer unterscheiden sich die Märkte erheblich. In Europa ist das mechanische Recycling breit etabliert. In Asien hingegen, insbesondere in dicht besiedelten Regionen mit wenig Deponieraum, steigt das Interesse am chemischen Recycling. Singapur wird hier als Beispiel genannt, wo pragmatische und kompakte Lösungen gefragt sind.
Technologie als Teil eines übergeordneten Ziels
Erema versteht sich nicht als reiner Anlagenbauer, sondern als Partner in der Entwicklung funktionierender Recyclingprozesse. Die Kombination aus physikalischer Vorbehandlung, digitaler Qualitätsüberwachung und robuster Technik soll es ermöglichen, neue Wege für bislang nicht verwertbare Kunststoffströme zu öffnen. Der Einsatz von CHEMAREMA und AGGLOREMA ist dabei ein Baustein, der sich flexibel an unterschiedliche Anforderungen anpassen lässt.
Bild ganz oben: Klaus Lederer ist zuständig für die Entwicklung des Geschäfts mit chemischem Recycling bei EREMA. Foto: Circular Technology
