Konkurrenzschwache Arten wie die Zweihäusige Segge (Carex dioica) haben auf den nährstoffreichen Standorten der heutigen Landschaft keine Chance mehr. Die früher in ganz MV vorkommende Art konnte in den letzten zehn Jahren nur noch an vier Stellen wiedergefunden werden. (Foto: Florian Jansen)

Was wie ein Widerspruch klingt, erklärt Professor Jansen so: „Je größer die betrachtete Fläche ist, desto länger dauert es, bis das letzte Vorkommen erloschen ist. Obwohl in der letzten Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands nur noch 43,8 Prozent der Arten als ungefährdet eingestuft werden konnten, ist die Zahl der tatsächlichen ausgestorbenen Arten mit 1,8 Prozent nur relativ gering. Die Tatsache, dass viele Arten immer noch auf wenigen Flächen vorkommen, dürfe aber nicht über den dramatischen Zustand der Biodiversität in Deutschland und der Welt hinwegtäuschen. Hinzu kommt die sogenannte extinction depth, die das Phänomen beschreibt, dass Arten noch eine ganze Zeitlang überdauern können, auch wenn ihr Habitat schon zerstört ist. „Es sind auf Dauer dennoch totgeweihte Arten, wenn wir es nicht schaffen, ihre Lebensräume in hinreichender Zahl wiederherzustellen“, sagt Professor Jansen.

Gründe für den Rückgang sind Pestizide, Intensivierung der Nutzung, Düngung, Entwässerung der Landschaft und Bodenversiegelung

Die Evolution suche sich ihre Nische, betont der Vater zweier Kinder, der mit der Familie gerne mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs in der Natur ist. Er beobachtet, dass gerade die Pflanzenarten zurückgehen, „für deren Vorkommen wir in den letzten 5.000 Jahren verantwortlich sind“, weil sie aufgrund unserer Landnutzung bei uns eingewandert seien. Das betreffe unter anderem die Unkraut-Flora auf dem Acker. Aber auch Grünlandpflanzen wie die Kuhschelle oder diverse Glockenblumenarten seien gefährdet und stünden auf der Roten Liste von M-V. Als Gründe dafür nennt der Rostocker Pflanzen-Forscher den Einsatz von Pestiziden, die Intensivierung der Nutzung, die Düngung, die Entwässerung der Landschaft und die Bodenversiegelung.

„Wir haben in M-V noch viele Optionen, wenn nicht auf jeder Fläche Maximal-Ertrag das Ziel ist.“ Professor Jansen ist hoffnungsvoll: „Es gibt viele Akteure aus der Landwirtschaft, die ein großes Interesse an Artenvielfalt haben.“ Das seien sowohl der klassische Ökolandwirt, aber auch die Landwirte, die die Paludikultur, das ist die landwirtschaftliche Nutzung nasser Standorte, wie sie durch die, auch aus Klimagründen erforderliche, Wiedervernässung der trocken gelegten Moore möglich wird, unterstützen. Wichtig seien politische Anreize, damit es sich für den Landwirt lohne, einen Beitrag für die Umwelt zu leisten. Denn, so betont Professor Jansen: „Wir haben das Problem, dass sich die Standorte vieler Pflanzenarten etwa durch Entwässerung oder Düngung leicht zerstören lassen, aber mitunter sehr lange brauchen, um sich zu regenerieren“.

Text: Wolfgang Thiel

Bild oben: Professor Florian Jansen leitet den Lehrstuhl Landschaftsökologie und Standortkunde an der Universität Rostock. Foto: privat

Von fil