Kürzlich wurde bei Hansgrohe die erste Recyclinglinie, die galvanisierte Kunststoffe auf rein mechanischem Weg aufarbeitet und direkt wiedereinsetzbares Kunststoffgranulat zurückgewinnt in Betrieb genommen. Innerhalb des ersten Quartals des Jahres wurde beim Sanitärtechnikhersteller Hansgrohe eine Aufbereitungsanlage der ImpulsTec zur Entschichtung von verchromten Kunststoffbauteilen mittels der innovativen Schockwellenbehandlung in Verbindung mit einer Vorzerkleinerung und magnetischen Separation schlüsselfertig übergeben.
Aufbereitungslinie für galvanisierte Kunststoffbauteile, Foto: Hansgrohe SE REC.TEC

Am Produktionsstandort von in Offenburg/Elgersweier kommt seit einigen Wochen ein individuell entwickeltes Recyclingverfahren für galvanisierte Kunststoffe zum Einsatz. Die in Kooperation mit dem Anlagenbauer ImpulsTec GmbH entstandene Linie bereitet den Produktionsausschuss von verchromten Bauteilen so auf, dass der entschichtete ABS Kunststoff direkt vor Ort in der Hansgrohe Kunststoffspritzerei wieder zur Herstellung von Neuteilen zur Verfügung steht. „Mit dieser technischen Weltneuheit schließen wir den Wertstoffkreislauf am Standort“, sagt Frank Semling, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Operations Hansgrohe SE. „Jede Ressource, die nicht mehr gewonnen werden muss, sondern wiederverwertet werden kann, schont unsere Ökosysteme. Mit diesem innovativen Verfahren gehen wir einen weiteren Schritt auf unserem Weg der grünen Transformation.“

Frank Semling nahm gemeinsam mit Stefan Eisert, Geschäftsführer ImpulsTec GmbH, die neue Kunststoffrecyclinganlage in Anwesenheit von Medienvertretern, Projektbeteiligten und Mitarbeitenden der Kunststoffspritzerei in Betrieb. In seiner Begrüßungsrede betonte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende die hervorragende Zusammenarbeit der Projektteams von ImpulsTec sowie Hansgrohe: „Erfolgreiche individuelle Lösungen entstehen nur in ausgezeichneter Teamarbeit. Die Offenheit von ImpulsTec zur gemeinsamen Entwicklung des Verfahrens und der fachliche Austausch der Beteiligten machten möglich, was bislang technisch und wirtschaftlich äußerst schwer umsetzbar war: das Recycling von verchromten Kunststoffen. Auch im Namen meiner Vorstandskollegin und -kollegen danke ich allen Projektbeteiligten für ihre hervorragenden Leistungen.“

Anlage mit Vorbildcharakter

Bei der innovativen Anlage kommt die Technologie zur elektrohydraulischen Zerkleinerung zur Anwendung. Dabei werden alle verchromten ABS Ausschussbauteile, wie Gehäuse von Handbrausen, Wandrosetten oder Knöpfe und Tasten durch Schockwellenbehandlung in Verbindung mit einer Vorzerkleinerung und magnetischen Separation entschichtet. David Zapf, Spezialist Surface Technology und Leiter des Projekts bei Hansgrohe, erklärt: „Als Ergebnis entsteht zum einen eine hochkonzentrierte Metallfraktion, die im wesentlichen Kupfer und Nickel enthält. Diese geht zur Verhüttung in den Verkauf. Die wertvollen Metalle werden so wieder zu 100 Prozent dem Rohstoffkreislauf zugeführt. Zum anderen erhalten wir den entschichteten ABS Kunststoff, den wir zur Herstellung von Neuteilen verwenden. Hier nutzen wir das Material direkt vor Ort in unserer Kunststoffspritzerei und können so den Wertstoffkreislauf am Standort schließen.“ Die Aufbereitungsanlage wurde für einen jährlichen Durchsatz von 100 Tonnen verchromtem Kunststoff konzipiert. Mit dieser Menge wiedergewonnenem ABS kann rein rechnerisch eine Million neue Handbrausen gefertigt werden. Es ist ein Betrieb von acht Stunden pro Tag an etwa 250 Arbeitstagen im Jahr angedacht.

Herausforderungen gemeistert

Die Produkte des Schiltacher Herstellers von Premium- und Designprodukten für Bad und Küche werden unter hohen Qualitätsansprüchen gefertigt. Der besonders stabile Verbund zwischen Kunststoff und Metall zeichnet die langlebigen Produkte aus. „Gerade deshalb wurde die Wiederaufbereitung zu einer Herausforderung“, erklärt David Zapf. „Durch die neuartige Anlage mit der innovativen Schockwellenbehandlung sind wir nun in der Lage, etwa 98 Prozent der Rohstoffe wieder zu verwenden.“ Zwar wurden die verchromten Bauteile, die im Produktionsprozess als Ausschuss entstanden, auch bislang von externen Partnern verarbeitet. Hierbei stand vor Projektbeginn im Jahre 2019 die thermische Verwertung unter Gewinnung des Metalls im Vordergrund.

Nachhaltigkeit im Fokus

Teil der Kreislaufwirtschaft zu werden, ist für Hansgrohe eines der zentralen Handlungsfelder seiner Nachhaltigkeitsstrategie. „Es ist uns ein dringendes Anliegen, die Produktion auf Nachhaltigkeit auszurichten. Durch das lange Nutzen oder Wiederverwerten von Produkten und Materialien reduzieren wir sowohl unseren Ressourceneinsatz als auch Transportwege. Daher bietet unsere neue Aufbereitungsanlage nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile für Hansgrohe“, so Frank Semling. Bei der 2023 eingeführten hansgrohe Produktlinie Planet Edition kommt bereits recyceltes Material zum Einsatz: Der Griff der Handbrause Pulsify Planet Edition ist aus Recyclingkunststoff. Mit dieser Alternative zu erdölbasierten Primärkunststoffen gelingt eine erhebliche Senkung des Ressourcen- und Energieverbrauchs.

Über ImpulsTec GmbH

Die ImpulsTec ist nach eigenen Angaben ein HighTech-Unternehmen mit Sitz in Radebeul, welches Hochspannungsimpulsanlagen sowie Komponenten für die Hochspannungsimpulstechnik baut und vertreibt. Hauptfokus liegt dabei aktuell auf der Entwicklung und Realisierung von industriellen Schockwellen-Zerkleinerungsanlagen. Dabei kann die ImpulsTec auf Know-how einer Reihe nationaler und internationaler Partner aus den Bereichen Hochspannungstechnik und mechanische Verfahrens- und Aufbereitungstechnik zurückgreifen und ist gut in ein Netzwerk entsprechender Firmen und Forschungsinstitute aus diesem Bereich eingebunden.

Stefan Eisert erklärt: „Die erfolgreiche Umsetzung des Aufbereitungsprozesses für galvanisierten Kunststoffprodukte basierend auf der elektrohydraulischen Zerkleinerungstechnologie erfüllt uns mit Stolz und markiert einen Meilenstein für das industrielle Recycling von Kunststoffen. Darin lässt sich der Produktionsausschuss an Bad- und Küchenarmaturen in seine Bestandteile Kunststoff und Metall trennen. Mit einer Materialreinheit von mehr als 99,8 % wird die direkte Wiederverwertung der recycelten Kunststofffraktion in hochwertigen Bauteilen möglich.“

Die elektrohydraulische Zerkleinerung

Zurückgewonnene Kunststofffraktion und Metallfraktion nach Recyclingprozess der ImpulsTec, Foto: ImpulsTec

Das Schockwellen- oder auch elektrohydraulische Zerkleinerungsverfahren findet in Deutschland aktuell laut dem Fraunhofer IWKS in Alzenau nur in geringem Umfang Anwendung. Es ist in das Gebiet der Impulstechnik („Pulsed Power“) einzuordnen, welche in Deutschland eine weitgehend neue Technologie darstellt. Bisherige Applikationen an Forschungsinstituten beschränkten sich zumeist auf die sortenreine Zerkleinerung von Altbeton. Kommerzielle Anwendungen existieren in Form von der extrakorporalen Stoßwellentherapie („Lithotripsie“), der Blechumformung oder dem Entsanden von Sandgussformteilen in der Gießereibranche.

Das materialselektive elektrohydraulische Zerkleinerungsverfahren (EHZ) der ImpulsTec bietet einen überzeugenden Lösungsansatz für die stoffliche Trennung komplexer Materialverbunde und Kompositmaterialien. Das Verfahren bedient sich mechanischer Schockwellen, welche in einem flüssigen Medium generiert werden, um eine Energieeinkopplung und damit eine Zerkleinerung des Mahlguts zu bewirken. Die Schockwellen werden mit Hilfe des elektrohydraulischen Effekts erzeugt, bei dem in einer Flüssigkeit zwischen zwei Elektroden ein kurzzeitiger, intensiver Lichtbogen gezündet wird. Dazu werden Stoßkondensatoren auf eine Arbeitsspannung von bis zu 50kV aufgeladen und im Anschluss mit Hilfe einer Funkenstrecke auf das Elektrodensystem eines mit einem flüssigen Medium gefüllten Zerkleinerungsreaktors geschalten.

 

Bild ganz oben: Bei der Inbetriebnahme: (v.l): David Zapf, Spezialist Surface Technology Hansgrohe SE, Stefan Eisert, Geschäftsführer ImpulsTec GmbH und Frank Semling, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Operations Hansgrohe SE. Die neue Anlage trennt Metallbeschichtungen von Kunststoffen und macht sie so wieder einstzbar. Foto: Hansgrohe SE / RecTec.

Von fil