Myzel nennt sich das feine Fadengeflecht von Pilzen. Es eignet sich als Verpackungsmaterial. Ein neues Forschungsprojekt unter Leitung des BIBA an der Universität Bremen beschäftigt sich mit dem biologisch abbaubaren Werkstoff sowie Herstellung, Nutzung und Recycling von Verpackungen.
Beim Schimmel ist es gut mit bloßem Auge zu erkennen: das feine Fadengeflecht der Pilze, das zumeist verborgen im Boden oder in Biomasse wächst. Das sogenannte „Mycel“ oder „Myzel“ birgt Eigenschaften, die uns bei der Vermeidung von umweltschädlichem Verpackungsmüll sehr dienlich sein können. Neue abbaubare Myzel-Verbundwerkstoffe in Verbindung mit angepassten Produktionsmethoden, dazu forschen nun Wissenschaftler:innen der Universitäten Göttingen und Bremen sowie vom BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik. Dabei behalten sie den ganzen Produktlebenszyklus im Blick und binden künstliche Intelligenz ein.
Myzel hat das Potenzial, Biomasse mit seinen Pilzfäden in einen hochleistungsfähigen Verbundwerkstoff umzuwandeln, der ideal für biologisch abbaubare Verpackungsanwendungen geeignet ist. Ziel des Projekts „Kreislaufwirtschaft: Entwicklung einer innovativen Methode zur Herstellung, Nutzung und Recycling von biologisch abbaubaren Verpackungen aus Myzel-Verbund-werkstoffen“ (MycelCycle) ist die Entwicklung einer integrierten Material-, Prozess- und Produktentwicklungsmethodik für Myzel-Verbundwerkstoffe. Diese Methodik wird die aktuellen Herausforderungen des Produktlebenszyklus in Bezug auf Materialauswahl, Materialaufbereitung, Recycling und Wiederverwendung angehen.
Lokale Ressourcen und geschlossene Stoffkreisläufe
Besonders im Fokus steht die Verwendung lokal verfügbarer organischer Rest- und Abfallstoffe, um kurze Transportwege und eine nachhaltige Herstellung zu ermöglichen. Diese Rohstoffe werden energiesparend sterilisiert, kombiniert und mit gleichbleibender Qualität aufbereitet, um eine Produktion, Verwendung und Recycling in höchster Qualität zu gewährleisten. Das vorrangigste Ziel bleibt dabei die Sicherung eines bestmöglichen Stoffkreislaufs.
Innovative Anwendung: Myzel für Isolierkühlboxen
Ein konkretes Beispiel für die Anwendung von Myzel-basierten Werkstoffen sind Kühlboxen für den Versand. In diesem Forschungsprojekt wird hierzu die Umsetzung eines geschlossenen Stoffkreislaufs angestrebt. Zudem wird die Zweitverwendung des Materials als geschreddertes Schüttgut für Versandverpackungen und sogar als Ausgangsmaterial für weitere Myzel-Kühlboxen untersucht.
Mithilfe künstlicher Intelligenz
Ein weiteres Highlight dieses Projekts ist der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) zur Identifizierung optimaler Ausgangsmaterialkombinationen und zur Optimierung der Prozesssteuerung. Durch den Einsatz neuester Technologien wird gewährleistet, dass die Materialien effizient und nachhaltig hergestellt werden können.
Nachhaltige Lösungen für eine wachsende Herausforderung
In Deutschland hat sich die Menge der Verpackungsabfälle in den vergangenen dreißig Jahren mehr als verdoppelt, und der Trend hält an. „Auch gesetzliche Regelungen verlangen hier Umstellungen hin zu umwelt- und klimaschonenden Produkten und Verfahren“, sagt BIBA-Direktor und Projekt-Initiator Professor Michael Freitag. „Der Einsatz neuer ökologisch unbedenklicher Werkstoffe und damit einhergehender Prozesse werden zunehmend zu einem Erfolgsfaktor. Die Forschungen im Projekt ‚MycelCycle‘ mit ihren ganzheitlichen Betrachtungen sollen einen Beitrag dazu leisten, nachhaltiger zu wirtschaften und eine effiziente sowie zugleich effektive Kreislaufwirtschaft zu realisieren.“
Transfer und Dialog
Ein weiteres Projektziel ist es, das gewonnene Wissen zu teilen und zu verbreiten, sich mit allen Interessengruppen aus Forschung und Praxis konstruktiv auszutauschen und so neue Impulse zu erhalten. So sollen auch neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Myzel-Produkten für verschiedene Branchen identifiziert werden.
Zu „MycelCycle“
Das 4-jährige Forschungsvorhaben „MycelCycle“ (Kreislaufwirtschaft: Entwicklung einer innovativen Methode zur Herstellung, Nutzung und Recycling von biologisch abbaubaren Verpackungen aus Myzel-Verbundwerkstoffen) wird von der VolkswagenStiftung mit 1,26 Millionen Euro gefördert. Forschungspartner sind die Abteilung Molekulare Holzbiotechnologie und technische Mykologie an der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Georg-August-Universität Göttingen, das Institut für integrierte Produktentwicklung (BIK) aus dem Fachbereich Produktionstechnik – Maschinenbau und Verfahrenstechnik- der Universität Bremen sowie federführend das BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen.
Bild oben: Myzelbasierter Kompositwerkstoff (25 x 9 x 5,5 cm) aus Stroh, Spelzen und Stärke. Das biogene Substrat wurde vom Myzel des Pilzes Ganoderma resinaceum 3-dimensional durchwachsen und gebunden und der Verbund im Anschluss hitzegetrocknet und geschliffen. Foto: Universität Göttingen/Michael Unger
Text: Sabine Nollmann