Smarte Systeme sparen Zeit und Ressourcen
Eines von Bernhardts Projekten konzentriert sich auf die Silage-Herstellung. „Heutzutage bereiten die Bauern das Futter für die Silage vor und wissen erst nach zwei Monaten, ob die Gärung überhaupt erfolgt ist oder ob Schimmel den Prozess verhindert hat – auf diese Weise werden Zeit und Ressourcen verschwendet“, so Bernhardt. Den Verlust von Pflanzen, Material und Tieren zu verhindern ist eines der Hauptziele des Smart Farming, und zwar sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen, da Ackerbau und Tierhaltung große Mengen CO2 erzeugen. Das Forschungsteam entwickelte daher ein komplexes Sensorüberwachungssystem zur Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts sowie der Temperatur in und auf der Silage. Auf diese Weise lassen sich die Bedingungen im Silo während des Gärungsprozesses präzise dokumentieren und messen, ohne dass die Schutzabdeckung beschädigt wird. So kann eine Warnung erfolgen, wenn sich die Bedingungen verändern.

Foto: Magnus Baumann / RAISE Agriculture
Die Arbeitsgruppe entwickelte zudem ein System zur Dokumentation des Gesundheitszustands von Kälbern mittels Messung von Parametern wie Körpertemperatur, Mobilität und Trinkverhalten. Mithilfe dieses Systems lässt sich schon frühzeitig vorhersagen, welche Kälber möglicherweise krank werden oder ein ungewöhnliches Verhalten zeigen. Dementsprechend können Bauern diese Daten für eine gezieltere Medikamentengabe oder Isolierung der Tiere nutzen. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass wir sich verändernde Bedingungen messen und präzise darauf reagieren können. Genau darum geht es bei Precision Agriculture“, so Bernhardt.
Smart Farming trifft auf Ingenieurwesen

Foto: Magnus Baumann / RAISE Agriculture
Die Forscher in Bernhardts Arbeitsgruppe sind mit vielen anderen Experten an der TUM vernetzt, darunter Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Informatik, Architektur, Elektrotechnik und Informationstechnik, aber auch zu solchen an agrarwissenschaftlich ausgerichteten Lehrstühlen und Einrichtungen. Diese sind alle im World Agricultural Systems Center – Hans-Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften (HEF) zusammengeführt. Es unterstützt Kooperationen mit anderen agrarwissenschaftlichen Einrichtungen am TUM-Campus Weihenstephan, wo es seinen Sitz hat, aber auch an anderen Standorten. „Die Forschung auf dem Gebiet des Smart Farming ist stark interdisziplinär geprägt, und die Ergebnisse lassen sich weltweit anwenden. Die meisten Materialien, die wir verwenden, zum Beispiel Chips und Sensoren, wurden in fachfremden Bereichen entwickelt und können zukünftig für andere Zwecke eingesetzt werden“, erklärt Bernhardt.
Um Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsgebieten zu vereinen und zu nutzen, arbeiten in Bernhardts Arbeitsgruppe Doktoranden zusammen, die aus den unterschiedlichsten Disziplinen stammen, unter anderem den Agrarwissenschaften, dem Gartenbau und dem Ingenieurwesen. Während ihrer Promotion werden diese Doktoranden vom Graduiertenzentrum Weihenstephan (GZW) betreut, das auch jährlich stattfindende Veranstaltungen zu landwirtschaftlichen Themen wie das HEFagrar-PhD-Symposium mit organisiert.
Unternehmertum als Karrierechance
Die agrarwissenschaftliche Forschung an der TUM kann auch zu einer Karriere als Unternehmer oder Unternehmerin in innovativen Bereichen führen. Wenn die Doktoranden in Bernhardts Arbeitsgruppe während ihrer Promotion vielversprechende Ergebnisse liefern oder Ideen entwickeln, werden sie stets ermutigt, eine Ausgründung in Betracht zu ziehen. Mit dem TUM Venture Lab Food-Agro-Biotech fördert die Universität junge Gründer im Bereich Agrarwissenschaften auf allen Stationen ihrer unternehmerischen Reise über viele unterschiedliche technologiebasierte Domänen.
Die drei jungen Gründer des Start-ups „RAISE Agriculture“ – Magnus Baumann, James Specker und Abir Bhattacharyya – sind ein erfolgreiches Beispiel für das Potential dieser Drehscheibe für unternehmerische Innovationen. Das deutsch-kanadisch-indische Team fand nach dem Studium über das Unternehmernetzwerk der TUM zusammen und begeisterte sich gemeinsam für die Idee, landwirtschaftliche Methoden zu verbessern. Finanziell unterstützt durch das EXIST-Gründerstipendium entwickeln sie derzeit ein Kamerasensorsystem für Drohnen mit einer angeschlossenen Datenbank. Es erkennt kranke Pflanzen oder invasives Unkraut auf dem Feld mithilfe von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz, sodass eine selektive Behandlung erfolgen kann.
„Unser neues System hilft Bauern, weniger Herbizide bzw. Pestizide auf ihre Felder auszubringen. Die Bauern ernähren Menschen, also helfen wir den Bauern“, meint James Specker. Die Gruppe arbeitet mit Kang Yu, Professor für Präzisionslandwirtschaft an der TUM , und anderen Arbeitsgruppen im Bereich Agrarwirtschaft und Biowissenschaften an der TUM sowie mit Bauern innerhalb und außerhalb des Labornetzwerks zusammen. Nach der Sammlung von Bilddaten von geschädigten Pflanzen im Treibhaus in dieser Saison, möchte das Team nächstes Jahr mit dem Verkauf seiner Technologie beginnen. „Das System funktioniert – wir sind bereit, es auf den Markt zu bringen“, bestätigt Magnus Baumann.
Bild ganz oben: Prof. Heinz Bernhardt, Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik, und sein Mitarbeiter Andreas Schweiger auf dem Versuchsfeld mit Drohne. Foto: Andreas Heddergott / TUM