Die Internationale Fachtagung 2023 des Fachverbandes Schaumkunststoffe und Polyurethane e.V. (FSK) führte die Teilnehmer nach Leverkusen an den Standort der Covestro AG.Bei der offiziellen Begrüßung und Eröffnung betonte der formal noch amtierende FSK-Vorstandsvorsitzende Albrecht Manderscheid, Cannon Deutschland GmbH, die zunehmende Bedeutung der Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft für die PU-Industrie. Langfristig könne Polyurethan nur überleben, wenn zu diesen Themen Lösungen erarbeitet würden. Er versprach den Teilnehmern ein breites Spektrum an Fachvorträgen, die sich mit dem aktuellen Stand der Arbeiten zu Recyclingtechnologien beschäftigen.
Nach 27 Jahren Vorsitz im FSK-Vorstand dankte Albrecht Manderscheid all den Kollegen, die ihn in dieser Zeit begleitet haben. „Diese 27 Jahre mit allem, was in dieser Zeit passiert ist, lassen sich in 10 Minuten nicht zusammenfassen“, so fuhr er fort. Aber die paar Beispiele, die er nannte, angefangen von der Arbeit der verschiedensten Arbeitskreise über die vielen Veranstaltungen des FSK bis hin zu der Schulungsplattform für das REACH – Beschränkungsverfahren zum Umgang mit Diisocyanaten, ließen erahnen, was der FSK mit ihm als treibende Kraft während seiner Amtszeit erreicht hat. – Lesen Sie in einem separaten Bericht das ausführliche Interview mit Albrecht Manderscheid und die würdige Verabschiedung durch Laudator Dr. Markus Steilemann, Vorstandsvorsitzender der Covestro AG und Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).
Als Moderator für die beiden Veranstaltungstage begrüßte er den neuen FSK-Vorstandsvorsitzenden Jörg Arntzen, Dow Anlagengesellschaft mbH. Die Vortragsreihen eröffnete Dr. Torsten Heinemann, Covestro Deutschland AG, mit seiner Keynote Speech „How to turn regulatory risks into opportunities”, mit der er die Teilnehmer auf die am Nachmittag stattfindende Podiumsdiskussion zum Thema „Chemisches Recycling“ einstimmte. Die europäische chemische Industrie sieht sich einer Vielzahl von Regularien gegenüber, die sie vor schwierige Herausforderungen stellt. Er räumte ein, dass die chemische Industrie Teil des Problems ist, betonte aber auch, dass die chemische Industrie wie keine andere in der Lage ist, die aktuellen Probleme zu lösen. Er appellierte an die gesamte Industrie, durch Kooperationen und Funding das Risiko für einzelne Unternehmen zu minimieren.
Dr. Matthias Hinrichs, BASF SE, stimmte mit seinem Vortrag ebenfalls auf die Podiumsdiskussion ein. In seinem Fachvortrag „Chemisches Recycling von Polyurethanen – Den Kreislauf schließen“ ging es darum „die Bindung zu knacken“. Anschaulich und nachvollziehbar stellte er das Recycling-Verfahren der Depolymerisierung dar. Ein klares Pro des Ansatzes ist der deutlich niedrigere Energieeinsatz gegenüber Gasification und Pyrolyse sowie ein deutlich geringerer CO2-Fußabdruck als bei der Gewinnung des Virigin-Materials. Erfolgsprojekte im Bereich von Schuhsohlen, Fahrradsitzen, Kühlschränken oder das Gemeinschaftsprojekt mit Neveon im Bereich der Matratzen haben laut Dr. Matthias Hinrichs alle eines gemeinsam: Es kommt auf die Qualität des Ausgangsmaterials an. Dann ist die Qualität des Recyclingprodukts gleichwertig zum Original.
Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion bringt Anregungen für die Zukunft
Am Nachmittag stellten sich hochkarätige Experten in einer Podiumsdiskussion zum Thema „Chemisches Recycling“ den Fragen der Teilnehmer zu diesem Thema. In einer ausgesprochen lebendigen und offenen Diskussion vermittelten Dr. Martin Baumert, BASF Polyurethanes GmbH, Dr. Torsten Heinemann, Covestro Deutschland AG, Prof. Dr. Mathias Seitz, Hochschule Merseburg, und Dr. Annegret Terheiden, Evonik Operations GmbH, einen Überblick über den aktuellen technischen Stand und die vielfältigen offenen Punkte, z.B. bezüglich Sammlung und Sortierung der Abfälle oder Spezifizierung von Rezyklat-Polyolen.
Innovationspreise für neuartige Produkte, Verfahren und Technologien
Ein weiteres Highlight setzte nachmittags der von Sven Müller, Getzner Werkstoffe GmbH, moderierte Festakt zum Innovationspreis, den der FSK seit vielen Jahren vergibt. Ziel des FSK-Innovationspreises ist neben der Auszeichnung zukunftsweisender Ideen vor allem die Förderung von Nachwuchskräften sowie die Unterstützung von Kooperationen zwischen den Preisträgern und potenziellen Industriepartnern. Die vom FSK ausgewählte Fachjury bewertet nach einer Reihe von Kriterien, z.B. Neuartigkeit, Markt- und Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit, technische Realisierbarkeit und Design. Es werden Preise im Bereich „Fachkräfte/Profis“ sowie „Nachwuchskräfte“ in verschiedenen Kategorien vergeben. Fünf der insgesamt 18 eingereichten Vorschläge wurden mit einem Innovationspreis prämiert.
Auch der zweite Tag bestach mit interessanten Vorträgen
Der zweite Tag bescherte den Teilnehmern Fachvorträgen der etwas anderen Art als üblich. Den Auftakt machte Alexander Hinzsch, Hinzsch Schaumstofftechnik GmbH & Co. KG, mit seinem Vortrag „Die Firma brennt – und jetzt? Erfahrungen und Handlungen eines betroffenen Schaumstoffverarbeiters“, in dem er über seine Erfahrungen im Umgang mit Behörden und Versicherungen sprach, nachdem seine Firma 2022 durch einen Brand mit Schäden in Millionenhöhe vorübergehend handlungsunfähig war.
Auch durch Cyber-Kriminalität können hohe Schäden entstehen, wie Michael Glunk, Continental Automotive Technologies GmbH, aus eigener Erfahrung bestätigen konnte. Sein Unternehmen wurde Opfer einer Lockbit-Cybergang, die 40 Terabyte sensibler Daten von Continental gestohlen hatte und 50 Millionen Euro Lösegeld forderte. Sein Beitrag „Cyber Security – wachsende Anforderungen an unsere IT-Systeme“ machte die Zuhörer sensibel für den Umgang mit Emails und Internetseiten und mahnte um besondere Vorsicht beim Anklicken von Links.
Nach diesen beiden etwas andere Vorträgen wurde es wieder technisch. Dr. Catherine Lövenich, Covestro Deutschland AG, gab ein Update zum aktuellen Stand in dem öffentlich geförderten Projekt „Circular Foam: die Entwicklung von chemischen Recycling-Technologien für Polyurethan-Hartschaum. In dem Verbundprojekt werden verschiedene Lösungswege untersucht. Insbesondere ging Dr. Catherine Lövenich auf die Chemolyse und die „Smart Pyrolyse“ ein.
Dem aktuellen Trend der Digitalisierung trug Dr. Dennis Krause, Covestro Deutschland AG, mit seinen Ausführungen zu „Foaming Simulation – A digital technology for early insights during development“ Rechnung. Seine Simulationsergebnisse erlauben bereits früh eine Optimierung der Prozessparameter, insbesondere der Werkzeugauslegung, beispielsweise Position der Einspritzpunkte, Entlüftungsplan, Werkzeugtemperatur usw. Dadurch kann die Zahl der notwendigen Technikumsversuche und damit auch die Entwicklungszeit deutlich verringert werden.
Den Vortragsreigen beendete Fabian Tenberge, Remondis Recycling GmbH & Co. KG, mit seinem Vortrag „REMONDIS Recycling“, der das Thema aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtete. Am Beispiel von Matratzen zeigte er die Probleme auf, mit denen sich ein Entsorgungsunternehmen konfrontiert sieht: angefangen damit, dass sich das Abfallaufkommen nicht genau nachvollziehen lässt, da es keinen spezifischen Abfallschlüssel für Matratzen gibt, sind die Wege, wie die Matratzen im Abfall landen, sehr vielfältig. Entsprechend sind die Matratzen in der Regel stark verunreinigt, so dass letztendlich ein Großteil nur zur thermischen Verwertung genutzt werden kann.
Ein positives Fazit zu der Veranstaltung zog Klaus Junginger, Geschäftsführer des FSK: „Wir freuen uns über die positiven Rückmeldungen der Teilnehmer bei der rundum gelungenen 22. Fachtagung unseres Verbandes“. Wie gewohnt wurden auf dem Event brandaktuelle aktuelle Themen aus der Polyurethan-Industrie angesprochen und der FSK bot erneut eine optimale Plattform, sein tragfähiges Netzwerk aktiv weiterzuentwickeln.
Um das alles möglich zu machen, bedarf es der Mitarbeit vieler Mitglieder und so ließ er es sich nicht nehmen, vor der offiziellen Verabschiedung und dem Transfer zum Technikum der Covestro AG noch zwei FSK-Dankurkunden zu verleihen. Diese erhielten die beiden ehemaligen FSK-Vorstandsmitglieder Dr. Dirk-Endres Hein sowie Rüdiger Simon für ihre langjährige Mitarbeit und Unterstützung des FSK.
Das Technikum der Covestro AG
Die Besichtigung des Technikums wartete mit drei Stationen für die Besucher auf. An der ersten Station wurde in einer Life-Demonstration die Herstellung eines Verbundwerkstoffs durch Formpressen gezeigt: Eine Polyurethanformulierung wird auf ein Sandwich aus Papierwaben und Glas-, Natur- oder Kohlefasermatten gesprüht und anschließend verpresst. Das Ergebnis sind leichte Kompositstrukturen mit guter Biegefestigkeit und Torsionssteifigkeit.
Die zweite Station zeigte das moderne Doppeltransportband zur Herstellung von Metall-Sandwich-Elementen und Dämmplatten, erlaubt also die Verarbeitung sowohl starrer als auch flexibler Deckschichten und ist damit wohl fast einzigartig.
Als letzte Station hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, sich über den Einsatz von Polyurethanen bei der Konstruktion von Rotorblätter für Windkrafträder zu informieren. Diese bestehen aus Hochleistungsverbundwerkstoffen, die hergestellt werden, indem mittels Vakuums eine Glasfasermatrix mit einem Infusionsharz durchtränkt wird. Die Verwendung von PUR-Harzen erlaubt schnellere Aushärtungszeiten und liefert Verbundwerkstoffe mit sehr guten mechanischen Eigenschaften und hoher Ermüdungsbeständigkeit.
Titelfoto: Podiumsdiskussion zum chemischen Recycling in hochkarätiger Besetzung (v.l.n.r.): Jörg Arntzen (Moderator), Prof. Dr. Mathias Seitz, Dr. Martin Baumert, Dr. Annegret Terheiden, Dr. Torsten Heinemann (Quelle: FSK)