Das chemische Recycling von Kunststoffen steht zunehmend im Fokus, da mit mechanischem Recycling allein die steigenden Recyclingquoten nicht erfüllt werden können. Klaus Lederer, Business Development Manager Chemical Recycling bei EREMA, erklärt die Position seines Unternehmens zu diesem Thema und beleuchtet, wie chemische Recyclingverfahren zu einer sinnvollen Ergänzung werden können.

Das chemische Recycling von Kunststoffen kann einen wesentlichen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten – wenn es sinnvoll eingesetzt wird. Wie das geht erklärt Klaus Lederer: „Wir glauben, dass das chemische Recycling eine sinnvolle Ergänzung sein kann und zwar überall dort, wo das mechanische Recycling an Grenzen stößt. Der Normalfall sollte aus unserer Sicht das mechanische Recycling sein, um energie- und kosteneffizient Material im Kreislauf zu halten.“

Lederer gibt zu bedenken, dass die von der EU angestrebten Einsatzquoten für Rezyklate allein mit mechanischem Recycling nicht erreichbar sind. „Ich gehe davon aus, dass die EU in nächster Zeit eine positive Entscheidung zu diesem Thema treffen wird. Bislang konnten die Betreiber von Anlagen zum chemischen Recycling nicht ihre hohen Ziele im Bereich Kosten und Effizienz erreichen.“

Chemisches Recycling ist kein Allesfresser

Klaus Lederer (l.) im Gespräch mit Philipp Lubos. Im Hintergrund die Zentrale von EREMA im oberösterreichischen Ansfelden. Foto: Circular Technology

Insbesondere ist festzustellen, dass als Ausgangsstoffe für die Recyclinganlagen eben nicht sämtliche Kunststoffabfälle geeignet sind, die nicht wirtschaftlich mechanisch aufbereitet werden können. Der Großteil der Anlagen funktioniert nach dem Prinzip der Pyrolyse. Dafür eignen sich Polyolefine, die oft auch besonders gut mechanisch recycelt werden können. PVC, Polyamid und PET beispielsweise eignen sich nicht. Hinzu kommt, dass Anlagen mit teilweise über 100.000 jato Kapazität entsprechende Mengen an Kunststoffabfällen benötigen, die inzwischen nicht mehr so ohne weiteres zu bekommen sind. Daraus können sich sehr lange Transportwege ergeben.

Derzeit entsteht in Deutschland im baden-württembergischen Walldürn eine Anlage mit einer Kapazität von 260.000 Tonnen, die Ende 2026 in Betrieb gehen soll. Den Angaben zufolge soll als Einsatzmaterial für die Anlage nicht rezyklierbare Mischkunststoffe, insbesondere aus der getrennten Sammlung durch den gelben Sack und die gelbe Tonne in Deutschland verwendet werden. Der Betreiber verfügt bereits über hohe Kompetenz und eigenen Angaben zufolge derzeit über Kapazitäten für über 800.000 Tonnen mechanisches Kunststoffrecycling. Heute werden dort etwa 50 % Mischkunststoffe (Fraktion 350) aussortiert und landen in der Verbrennung.

In Zukunft sollen diese 50 % Ausschuss noch einmal sortiert werden, um daraus Ausgangsmaterial für die Pyrolyse zu schaffen. Womöglich liegt hier aber ein weiteres Problem, denn jede Sortierung verursacht weitere Kosten, die durch da Endprodukt erwirtschaftet werden müssen. Darüber hinaus sind die hier verfügbaren Abfallmengen mit rund 100.000 Tonnen nicht besonders ergiebig. Auch Klaus Lederer ist skeptisch, ob für die vielen neuen Anlagen in Zukunft genug Material in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen wird. „Entscheidend wird sein, dass bei der Bewertung der Verfahren der CO2-Fußabdruck berücksichtigt wird“, so Lederer.

So gab Shell kürzlich bekannt, seine Aktivitäten beim chemischen Kunststoffrecycling in den USA wegen mangelnder Profitabilität drastisch reduzieren zu wollen. Hauptproblem sollen die hohen Kosten der Sortierung sein. Doch auch wenn manche Erwartungen an das chemische Kunststoffrecycling nicht erfüllbar sein werden sieht Lederer durchaus Potenzial.

Es geht auch sinnvoll

EREMA hat einen Plan, wie chemisches Recycling dennoch sinnvoll und umweltverträglich organisiert werden kann: „Wir haben im vergangenen Jahr mehrere große Linien ausgeliefert, die pro Stunde rund 2 bis 3,5 Tonnen Kunststoffschmelze an einen chemischen Reaktor liefern können. Gemeinsam mit unserem neuen Partner Lindner werden wir in diesem Bereich weiter aktiv werden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Maschinen zu bauen, die die chemischen Recycler dabei unterstützen, auch minderwertige Stoffströme zu verwerten. Wir sind seit vielen Jahrzehnten im Post-Consumer-Bereich zu Hause und wissen genau, wie man auch mit schwierigen Ausgangsstoffen umgehen muss.“

Es geht also einerseits um Technologien wie beispielsweise Extruder, die speziell für die Beschickung von Pyrolyse-Anlagen ausgelegt sind. Die müssen mit hohen Verunreinigungen umgehen können, hohe Durchsätze haben und das Material rasch auf Temperatur bringen können.

„Der mechanische Recycler benötigt eine andere Auslegung. Hohe Durchsätze stehen hier nicht im Zentrum, sondern hohe Qualität. Dazu muss der Prozess das Polymer möglichst sanft behandeln. Demensprechend sind unsere CHEMAREMA-Maschinen größer als die INTAREMA. Für Polyolefine reichen die Durchsätze bis 4,5 Tonnen pro Stunde, das gibt es beim mechanischen Recycling dieser Stoffgruppe nicht. Um die hohe Abrasivität des beispielsweise mit Sand verunreinigten Eingangsmaterials längerfristig aushalten zu können müssen die CHEMAREMA-Maschinen deutlich robuster ausgelegt werden. Und schließlich unterscheidet sich das Endprodukt. Für das chemische Recycling liefern wir Schmelze, das mechanische Recycling erzeugt Granulat.“

Auch die Kunden unterscheiden sich: Im mechanischen Recycling ist EREMA seit Jahren fest etabliert, erklärt Lederer. Dementsprechend kennt man sich und das Vertrauen ist groß. Die chemischen Recycler sind eher neu im Markt. Für die Zukunft rechnet Lederer mit einer Vermischung beider Gruppen und einer Verfeinerung der chemischen Recyclingverfahren insbesondere in der Vorbereitung des Materials. „Wer die Stoffströme kontrolliert wird auch die weniger attraktiven Fraktionen verwerten wollen.

Die Praxis des chemischen Recyclings weiter entwickeln

„Es wird jetzt interessant, die Anlagen im chemischen Recycling in der Praxis zu erleben und zu sehen, welche Erkenntnisse wir in den kommenden ein zwei Jahren gewinnen“, erklärt Lederer. Wir arbeiten daran, den Verschleißschutz noch weiter zu verbessern, die Anlagen also noch robuster zu machen. Insbesondere bei hohen Temperaturen von über 300 °C sind etwa die Schnecken in den Extrudern enormen Belastungen ausgesetzt. Bei so großer Hitze wird auch der chemische Verscheiß der Stähle zum Problem. Die Masse bereits im Extruder hoch zu erhitzen ist jedoch energetisch sinnvoll. Mit neuen Legierungen und Panzerungen wollen wir dem Rechnung tragen. Auch beim Design der Schnecken sehen wir noch Optimierungspotenzial, das wir heben wollen, sowohl bei der Widerstandsfähigkeit als auch bei der Wartungsfreundlichkeit.“

Warum kann man nicht alle Kunststoffabfälle zusammen in einem Reaktor per Pyrolyse in Öl verwandeln und aus diesem wieder Kunststoff erzeugen?

Pyrolyse findet bei hohen Temperaturen um 500 Grad Celsius unter Sauerstoffabschuss statt. Damit ist das Verfahren für die Verarbeitung von PET bereits ungeeignet, da es in seiner chemischen Struktur Sauerstoff enthält, der bei der Pyrolyse freigesetzt werden würde. Auch Stickstoff soll nicht im Reaktor sein, da dann gefährliche Verbindungen entstehen, darum ist Polyamid nicht geeignet, denn das setzt Stickstoff frei. PVC wiederum enthält gefährliches Chlor. Unter dem Strich sind also Polyolefine und eventuell Polystyrole die für Pyrolyse-Anlagen gesuchten Materialien. Es existieren auch Verfahren zur Depolymerisierung der anderen Kunststofftypen allerdings eben nicht die Pyrolyse. Es wird sich weisen, ob diese wirtschaftlich tragfähig sind. Experten gehen heute davon aus, dass sich die Depolymerisierung für Fasern lohnt, für Flaschen eher nicht.

Bild ganz oben: Klaus Lederer, Business Development Manager Chemical Recycling bei EREMA, erläutert, inwiefern chemisches Recycling sinnvoll in die Kreislaufwirtschaft integriert werden kann. Foto: Circular Technology

Von fil