Der European Chips Act soll die europäische Mikrochip-Industrie auf ein neues Level heben, mehrere Milliarden Euro fließen in den Bau neuer Halbleiterfertigungsstätten, unter anderem in Deutschland, Polen und Italien. Der Betrieb dieser neuen High-Tech-Standorte erfordert eine große Zahl an Ingenieur*innen und Techniker*innen und bisher ist unklar, woher diese kommen sollen. Schon heute fehlt der Elektronik-Branche qualifiziertes Personal – alleine in Österreich werden 14.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt, europaweit liegen die Schätzungen bei 60.000 bis 150.000.
Um diesem Fachkräftemangel gezielt entgegenzuwirken, haben sich sieben europäische Hochschulen mit weiteren acht Partnern aus der Industrie und Forschung in dem Projekt „GreenChips-EDU“ zusammengeschlossen. Gemeinsam möchten sie die Ausbildung von Fachkräften im Bereich der Mikroelektronik forcieren. Die Europäische Kommission fördert das vierjährige Vorhaben mit 7,15 Millionen Euro, die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft gibt weitere 750.000 Euro hinzu. „Früher waren die Produktionskosten der entscheidende Faktor für Standortentscheidungen der Mikroelektronikbranche“, sagt Projektleiter Bernd Deutschmann, Leiter des Instituts für Elektronik der TU Graz. „Heute werden Mikrochips dort entwickelt und gebaut, wo die Fachkräfte sind. Mit GreenChips-EDU tun sich erstmals europäische Hochschulen zusammen, um gemeinsame Curricula für die Ausbildung im Bereich Elektrotechnik und Mikroelektronik zu entwickeln und so die nötigen Fachkräfte bestmöglich auszubilden.“ Von den sieben Hochschulen sind sechs Mitglieder des Netzwerkes „Unite!“, der strategischen Allianz neun technischer Universitäten in Europa.
Schwerpunkte: Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Leistungselektronik
Der Schwerpunkt der Studiengänge konzentriert sich auf die Entwicklung und Fertigung von nachhaltigen und energieeffizienten Mikrochips, denn stromsparende Mikrochips sind unverzichtbar, um die Klimaziele in Europa zu erreichen. Ein besonderer Fokus liegt laut Bernd Deutschmann auf dem Gebiet der Leistungselektronik: „Hier ist Europa international führend und hat großen Personalbedarf, für den wir junge Menschen qualifizieren wollen.“ Die international harmonisierten Studiengänge erleichtern die grenzüberschreitende Anerkennung von Studienleistungen und fördern die Mobilität von Studierenden. „GreenChips-EDU zeigt auch die Bedeutung internationaler universitärer Netzwerke. Die TU Graz ist Teil der Europäischen Universitätsallianz Unite! und gleich mehrere Partner im Projekt GreenChips-EDU sind auch Unite!-Mitglied. Ein gutes Netzwerk mit exzellenten Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft macht ein Projekt wie dieses überhaupt erst möglich“, sagt Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung der TU Graz.
„Unser Ziel ist es, dass in der vierjährigen Projektlaufzeit 600 Studierende ein Bachelor– oder Masterprogramm absolvieren“, sagt Bernd Deutschmann. Die Masterprogramme sollen auch nach Ende der Projektlaufzeit aufrechterhalten werden. Neben den Studiengängen werden in GreenChips-EDU Weiterbildungsangebote zur Weiter- und Höherqualifizierung von Fachkräften aus der Industrie entwickelt – die Bandbreite reicht von kurzen Workshops über Microcredentials bis hin zu MBA-Programmen.
Abschlussarbeiten in Kooperation mit Unternehmen
An GreenChips-EDU sind neben den Hochschulen, einem Verein und einem Forschungsinstitut auch sechs Unternehmen beteiligt, darunter Infineon Technologies Austria und Končar aus Kroatien. Die Industriepartner werden u.a. durch Lehraufträge und Kooperationen bei Abschlussarbeiten einbezogen. Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Technologies Austria, sagt: „Die Mikroelektronik ist ein enormer Hebel für das Erreichen der Klimaziele und trägt damit zur Dekarbonisierung und Digitalisierung bei. Mehr denn je werden qualifizierte technische Fachkräfte benötigt, um diese wirkungsvollen Innovationen umzusetzen, Emissionen zu verringern und das enorme Potenzial der Energieeffizienz zu nutzen. Das sind hochattraktive Beschäftigungsmöglichkeiten, die eine bessere Zukunft gestalten können. „GreenChips-EDU“ wird dazu beitragen, aktuelle und zielgerichtete Lehrpläne zu entwickeln, um mehr junge Menschen für ein technisches Studium zu gewinnen. Als Infineon Austria tragen wir mit unserer umfassenden Expertise in der Forschung, Entwicklung und Herstellung von Energiesparchips sowie mit unseren Bildungsaktivitäten für mehr als 100.000 junge Menschen in den letzten Jahren dazu bei. Gemeinsam mit diesem wettbewerbsstarken Konsortium werden wir Begeisterung für Technik wecken, Bildung fördern und technische Fachkräfte für die Zukunft ausbilden. Dies ist eine sehr konkrete Initiative zur Stärkung der europäischen Talentpipeline in diesem hochrelevanten Bereich der Mikroelektronik.“
Bild oben: Europa benötigt für die Zukunft nachhaltige und energieeffiziente Mikrochips. Für ihr Design und die Herstellung müssen Experten ausgebildet werden. Abbildung: Pixabay/Placidplace