Eine marktreife und skalierbare Herstellung grünen Methanols für die Schiff- und Luftfahrt zu realisieren – so lautet die Zielsetzung im Projekt „Leuna 100„. Fraunhofer UMSICHT ist zusammen mit dem Climate-Tech-Start-up C1, Fraunhofer IWES, dem DBI-Gastechnologischen Institut gGmbH Freiberg sowie der Technischen Universität Berlin Teil des Konsortiums. Im Interview gibt Dr.-Ing. Norman Kienzle Einblicke in die Forschung, spricht über Herausforderungen und erklärt, wo der UMSICHTige Schwerpunkt bei der gemeinsamen Arbeit liegt.
Worum geht es bei „Leuna 100“?
Norman Kienzle: Bei „Leuna100“ bringen verschiedene Forschungsteams ihre Technologieentwicklungen in einer Prozesskette zusammen. Das gemeinsame Ziel: Aus einer vorhandenen CO2-Quelle Synthesebrennstoff herzustellen, um Schiffe und Flugzeuge anzutreiben. Die Umsetzung erfolgt am Chemiestandort in Leuna – genau dort, wo 1923 die erste kommerzielle Methanol-Anlage errichtet wurde. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung einer effizienten Prozesskette, um eine schnelle Markteinführung und einen Hochlauf zu ermöglichen. Wir wollen sowohl die Dekarbonisierung im Verkehrssektor – insbesondere in der Schifffahrt und im Flugverkehr – vorantreiben, als auch Innovationen in der Methanolherstellungstechnologie fördern. Das Projekt stärkt die Technologieführerschaft Deutschlands in den Bereichen Gastechnologien und Katalyse.
Skalierbare und wirtschaftliche Produktionsmethoden
Welche Herausforderungen werden im Rahmen des Projektes adressiert?
Norman Kienzle: Die Herausforderung besteht darin, skalierbare und wirtschaftliche Produktionsmethoden für eMethanol zu etablieren – und das umfassend in einer gekoppelten Prozesskette aus CO2 und grünem Wasserstoff. Ein erheblicher Abstimmungsbedarf sowie die Zusammenarbeit mehrerer Forschungsteams sind gefragt, damit jede Anlage für sich und vor allem auch in der Prozesskette funktioniert.
Es wird aber nicht nur gekoppelt und skaliert, sondern es werden auch technologische Innovationen erforscht, um das Ziel einer nachhaltigen Chemie zu erreichen. Dies geht einher mit der Herausforderung, neue Wege für eine Fortführung der industriellen Chemie in Leuna und damit die Wertschöpfung durch die chemische Industrie in Deutschland zu erschließen.
Was unterscheidet das Projekt von anderen, die sich mit diesen Herausforderungen befassen?
Norman Kienzle: Da sind mehrere Punkte zu nennen. Zu einen ist es wie schon erwähnt eine zusammenhängende Prozesskette an einem Standort. Darüber hinaus ist da die Fokussierung auf den deutschen Wirtschaftsstandort und die explizite Adressierung des Verkehrssektors in Form des Schifffahrts- und Flugverkehrs, in denen strategische Partnerschaften mit Unternehmen wie Linde und Clariant sowie Reedereien wie Maersk geschlossen sind. Für Container-Schiffe setzt sich grünes Methanol aktuell durch und es gibt einen Bedarf, der gedeckt werden soll. Alle Beteiligten sind also an einer zügigen Erstellung interessiert.
CO2-Niedertemperatur-Co-Elektrolyse
Welchen Part übernimmt Fraunhofer UMSICHT in dem Projekt?
Norman Kienzle: Fraunhofer UMSICHT steckt mit der Produktion des Zwischenprodukts – Synthesegas – inmitten der Prozesskette. Wir verarbeiten somit CO2 und H2O zu H2+CO. Die Zellen unserer Niedertemperatur-Co-Elektrolyse werden in „Leuna 100“ speziell für die Bedarfe einer realen CO2-Quelle und einer nachgelagerten Methanolsynthese entwickelt. Weiterhin arbeiten wir an einem eigenen CO2-Abtrennmodul zur Synthesegasaufbereitung und übernehmen den Bau, die Integration und den Betrieb der Niedertemperatur-Co-Elektrolyse-(NTCE)-Containeranlage.
Was zeichnet die neue Niedertemperatur-Co-Elektrolyse aus?
Norman Kienzle: Die Erzeugung von unterschiedlich zusammengesetztem Produktgas, der effizientere Betrieb bei niedriger Temperatur, die Nutzung von festen Polymerelektrolytmembranen, welche höhere Stromdichten im Vergleich zu Systemen mit flüssigem Elektrolyten bieten und ein gutes An- und Abfahrverhalten (Stichwort: Betrieb mit Erneuerbaren) aufweisen, eine für den Gesamtprozess effiziente CO2-Rezyklierung und die Skalierungsfähigkeit des Konzepts für den kommerziellen Einsatz – da kommt schon einiges an Entwicklung zusammen.
Welche konkreten Kompetenzen bringt Fraunhofer UMSICHT ein?
Norman Kienzle: Fraunhofer UMSICHT besitzt Fachleute in der maßgeschneiderten Entwicklung und Auslegung von NTCE-Zellen, der CO2-Rezyklierung und dem Bau von Forschungsanlagen in modularer Containerbauweise. Unsere Abteilungen arbeiten eng zusammen und können durch unsere umfassende Kompetenz alles aufeinander abstimmen und gezielt-strategisch entwickeln.
Erste Anlage steht bereits
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Projekt?
Norman Kienzle: Gut. Schließlich steht die erste Anlage nach einer Projektlaufzeit von gerade Mal drei Monaten schon in Leuna.
Gibt es ähnlich gelagerte Projekte am Fraunhofer UMSICHT?
Norman Kienzle: Ja, gibt es. Beispielsweise das Projekt P2X-Plattform. Dort entwickeln wir ebenfalls eine NTCE-Zelle für einen Kraftwerksstandort. Man sieht, der Einsatz unserer Technologie ist als breit – eigentlich überall, wo CO2 als Produkt anfällt.
Und wie sehen die nächsten technologischen Schritte am Fraunhofer UMSICHT aus?
Norman Kienzle: Ich sehe als konkrete zukünftige Ziele, die Skalierung zu höheren Leistungen vorzunehmen, die Zell- und Prozess-Effizienz zu steigern, die Langzeitstabilität des Prozesses zu beweisen, und eine Kostenreduktion des Gesamtsystems zu erreichen. Zusammenfassend bietet das Projekt die Chance auf eine CO2-freie Zukunft des Schiffs- und Flugverkehrs und Fraunhofer UMSICHT positioniert sich, um dies technologisch voranzutreiben.
Bild oben: Dr.-Ing. Norman Kienzle leitet am Fraunhofer UMSICHT die Gruppe „Computer-Aided Engineering (CAE) und Pilotanlagen“. Foto: Fraunhofer UMSICHT
FÖRDERHINWEIS
Das Projekt „Leuna100“ startete im August 2023 im Chemiepark Leuna und ist auf drei Jahre angelegt. Es wird im Rahmen des Gesamtkonzepts Erneuerbare Kraftstoffe mit insgesamt 10,4 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie für die Entwicklung regenerativer Kraftstoffe wird von der NOW GmbH koordiniert und durch die Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH sowie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. umgesetzt.