Nachhaltigkeit hat in der Automobilbranche in den vergangenen Jahren einer aktuellen Untersuchung von Deliotte zufolge zunehmend an Bedeutung gewonnen. Allerdings: Nur 9 Prozent fahren eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie. Die gesamtheitliche Transformation steckt noch in den Kinderschuhen. Die größten Hindernisse aus Sicht der Unternehmen: Höhere Preise sind nicht durchsetzbar und finanzielle Ressourcen fehlen.

Ob Green Deal oder deutsches Klimaschutzgesetz – die regulatorischen Anforderungen sprechen eine klare Sprache: Die Automobilbranche muss ihren CO2-Ausstoß zunehmend reduzieren, um ihren Anteil an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen zu leisten. Neben entsprechenden Produkten ist die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien hierzu ein wichtiger Hebel. Im Rahmen des Sustainability Survey hat Deloitte diesen Mai erstmals deutsche Automobilmanager gefragt, wie Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen gelebt wird.

Dabei zeigt sich: Das Thema hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Dieser Aussage stimmen 93 Prozent der befragten Führungskräfte zu. Dennoch lässt sich feststellen: Es gibt noch viel Luft nach oben. So gaben lediglich 9 Prozent der Interviewten an, dass die Nachhaltigkeitsinitiativen ihres Unternehmens gleichermaßen ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Ein Großteil fokussiert sich derzeit vorwiegend auf einen Bereich (ökologisch: 24%, sozial: 18%, wirtschaftlich: 18%).

Nachhaltigkeit als Teil des Kerngeschäftes

„Um regulatorischen Vorgaben und den Anforderungen des Kapitalmarktes zu genügen, muss Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft und in alle wesentlichen Prozesse integriert werden. Dazu ist es notwendig, ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategien zu fahren“, empfiehlt Dr. Harald Proff, Partner und Leiter Automobilindustrie bei Deloitte Deutschland und Global. „Bisher standen aus Sicht der Politik Umweltaspekte im Fokus, denn der Straßenverkehr ist für 10 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Jetzt rücken soziale und wirtschaftliche Aspekte nach. Bereits ab 2023 verpflichtet das Lieferkettengesetz deutsche Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, Menschenrechtsverletzungen bei ihren Lieferanten und Dienstleistern zu ahnden. Das bedeutet, dass die Automobilunternehmen jetzt handeln müssen.“

Tatsächlich stimmt mehr als die Hälfte der befragten Manager der Aussage zu, dass zwischen der Kommunikation über nachhaltiges Wirtschaften und der reellen Umsetzung eine Lücke klafft. Laut den Survey-Teilnehmern liegen die Gründe vorwiegend im Finanziellen: Demnach halten 39 Prozent höhere Preise für nachhaltigere Fahrzeuge sowie Fahrzeugteile und -komponenten für nicht durchsetzbar. 38 Prozent gaben zudem an, dass ihrem Unternehmen bedingt durch die COVID-19-Pandemie finanzielle Ressourcen fehlen. Auch die Umstellung auf nachhaltige Rohstoffe und Zwischenprodukte stellt für die Industrie eine große Herausforderung dar. So geben rund 30 Prozent der befragten Automobilmanager an, dass eine nicht nachhaltige Produktion und nicht nachhaltige Materialien schwer anzupassen beziehungsweise zu ersetzen sind.

Große Herausforderung für Automobilindustrie

Die Automobilbranche steht vor einem Zwiespalt: „Die Klimaschutzpolitik zwingt die Unternehmen, langfristig auf nachhaltige Produkte umzustellen. Jedoch werden gerade Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, welche für Elektromotoren genutzt werden und derzeit noch nicht anderweitig ersetzt werden können, mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht“, fasst Dr. Harald Proff zusammen. „Hier gilt es, die Lieferketten zu durchleuchten, um solche Risiken zu identifizieren. Zudem kann auch ein systematischer Forschungsansatz Risiken minimieren. Der sollte neben dem Einsatz nachhaltiger Ressourcen mittel- bis langfristig auch weitere Antriebsformen wie zum Beispiel die Brennstoffzelle oder synthetische Kraftstoffe berücksichtigen.“

Die regulatorischen Beschränkungen, die immer mehr Städte und Länder weltweit ankündigen, haben die Automobilunternehmen laut der Deloitte-Umfrage im Blick: 26 Prozent der Befragten geben diese als wesentlichen Treiber für Nachhaltigkeitsinitiativen im eigenen Unternehmen an. Jeweils 42 Prozent nennen das Gewinnen neuer Märkte und neuer Marktanteile sowie die Kundennachfrage als wesentliche Beweggründe. Die wichtigsten Beiträge der Automobilbranche zu mehr Nachhaltigkeit sehen die befragten Führungskräfte in der Effizienz von Ressourcen (60%), der Kreislaufwirtschaft (59%) sowie Elektrofahrzeugen (51%).

Extremwetterereignisse gefährden Lieferketten

Für die Automobilindustrie ist es aus finanzieller Sicht wichtig, die Weichen auf Nachhaltigkeit zu stellen: „Das Recycling von Rohstoffen reduziert nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern mittel- bis langfristig auch potenzielle Lieferengpässe. Die deutsche Automobilindustrie ist stark von weltweiten Importen abhängig und in dieser Hinsicht sehr sensibel“, erklärt Dr. Harald Proff. „Der Klimawandel führt zudem nachweislich zu mehr Extremwetterereignissen, die sich auf die Lieferketten negativ auswirken und die Automobilindustrie Milliarden kosten können.“

Für den Sustainability Survey befragte Deloitte 192 Führungskräfte aus der in Deutschland ansässigen Automobilbranche. Die Teilnehmer arbeiten bei Herstellern sowie Zulieferern, die mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Die Interviews erfolgten online. Bei einem Teil der Fragen waren Mehrfachnennungen möglich.

Hier können Sie die ganze Studie herunterladen.

Bild oben: In der Nachhaltigen Entwicklung stecken für die Automobilindustrie mehr Chancen als Risiken. Foto: Pixabay/egorshitikov

Von fil