Manfred Hackl, CEO der Erema Group erklärt im Interview, wie das Unternehmen mit nachhaltiger Technologie, einer Multimarkenstrategie und vorausschauender Unternehmensführung den aktuellen Herausforderungen begegnet.

Circular Technology: Wir haben zuletzt vor etwa einem Jahr miteinander über die Lage auf dem Markt für Recyclingtechnik im Allgemeinen und die Situation bei EREMA im Speziellen gesprochen. Wie gelingt es einem Premium-Hersteller wie EREMA in wirtschaftlich derart herausfordernden Zeiten, die Investitionen und die Produktqualität zu sichern?

Manfred Hackl: Es stimmt, einige Herausforderungen, unter anderem bei den Lieferketten haben sich seit unserem letzten Treffen noch einmal verschärft. Das Interesse an unseren Produkten hat zugenommen. Gleichzeitig spüren auch wir die neue Unvorhersagbarkeit der der Märkte. Die Lieferketten laufen einfach nicht mehr so reibungslos wie wir das jahrzehntelang gewohnt waren. Wir brauchen im Moment den besonderen Einsatz jedes einzelnen Mitarbeiters. Wir tragen bisweilen die Teile buchstäblich einzeln von den Lieferanten in die Produktion. Wir brauchen Einsatz, Kreativität und Flexibilität in allen Bereichen. Wir müssen lernen, bestimmte Dinge anders zu machen als früher.

CT: Welche Stellschrauben könnten das Kunststoffrecycling substanziell voranbringen? Bessere Sammlung, Design for Recycling oder strengere Regularien?

Hackl: Alle drei Punkte leisten einen Beitrag, die Recyclingquoten zu steigern. Es wäre sehr hilfreich, die Qualität der gesammelten Materialströme zu verbessern. Dabei ist aber natürlich der wirtschaftliche Aspekt bei der Sammlung zu berücksichtigen. Wenn in Deutschland etwa im Gelben Sack auch Metalle und Papier gesammelt werden, dann hat das auch damit zu tun, dass mit den zusätzlichen Materialien auch zusätzlicher Umsatz generiert wird und das System dadurch wirtschaftlicher wird.

Grundsätzlich gilt: Je komplexer die Sammlung wird, umso teurer wird sie auch. In Österreich haben wir teilweise Sammelzentrenn, in denen die Kunststoffe von den Konsumenten in zahlreiche Fraktionen getrennt werden sollen.  So ein System ist teuer, schreckt Konsumenten ab und am Ende kommt nicht die gewünschte Menge als Input in der Recyclingindustrie an

CT: Sollte man die Konsumenten nicht einfach für ihre Sortierarbeit entlohnen?

Hackl: Meine These ist, dass man die Sammlung so einfach wie möglich gestalten sollte mit dem Ziel, keinen Kunststoff mehr in der schwarzen Tonne zu haben. Daher bevorzuge ich den Ansatz, nach dem der Gelbe Sack in Deutschland organisiert ist vor dem beschriebenen System. Außerdem dürfen die Systeme sich nicht regional zu sehr unterscheiden. Wenn wir in jedem Ort eigene Kriterien setzen, nach denen Wertstoffe gesammelt und separiert werden, dann bekommen wir keine relevanten europäischen Stoffströme hin. Ein überregionales oder sogar europaweit einheitliches System ist für die Konsumenten einfacher und macht wirtschaftlich mehr Sinn.

Selbstverständlich können sinnvolle Regularien beim Aufbau eines Marktes sehr hilfreich sein, man sieht das im Bereich der PET-Flaschen, wo das Recycling bereits seit längerem gut funktioniert.

CT: Kunststoff wird von vielen Seiten problematisiert. Man könnte meinen, dass viele Menschen glauben, Plastikmüll sei unser einziges Umweltproblem. Kann es sein, dass Plasticbashing auch deshalb so weit verbreitet ist, weil die wissenschaftlichen Fakten zu komplex sind, um es kurz und allgemeinverständlich erklären zu können?

Hackl: Das stimmt. Ich glaube aber auch, dass auf europäischer Ebene erkannt wurde, dass wir Kunststoff brauchen. Die Situation auf den Energiemärkten trägt dazu bei. Im Vergleich mit Papier, Glas oder Metall ist Kunststoff meist der energieeffizienteste Werkstoff. Wenn wir über Klimaneutralität und Energieeinsparung reden wollen, dann müssen wir auch über Kunststoff sprechen. Provokant könnte man fast sagen: „Zurück zum Kunststoffsackerl“, weil es erheblich weniger Energie erfordert als eines aus Papier.

Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht ausblenden, dass die Circularity erst am Anfang steht. Ich glaube es muss einen Konsens geben zwischen Politik und Industrie, indem, die Politik anerkennt, dass Kunststoff oft die Lösung und nicht das Problem ist und die Industrie sich voll zur Kreislaufwirtschaft bekennt. In so einem Umfeld wäre Kunststoff in vielen Anwendungen das ideale Material.

CT: Einer der Nachteile, den Kunststoffe im Verpackungsbereich etwa gegenüber Glas aufweisen, ist die große Vielfalt an Kunststoffarten und Kombinationen daraus. Polystyrole und Polyolefine etwa müssen vor dem Recycling unbedingt separiert werden. Gäbe es nicht auch die Möglichkeit die große Komplexität im Verpackungsbereich durch eine Einigung auf bestimmte Polymere für bestimmte Anwendungen zu reduzieren?

Hackl: Bestimmt gibt es hier Produkte, die ökologisch verbesserungswürdig sind. Ich denke da insbesondere an Verpackungen, die aus mehreren Polymeren im festen Verbund bestehen. Diese Verpackungen wurden entwickelt und optimiert in einer Zeit in der man auf Kreislaufwirtschaft keinen Wert gelegt hat. Daher sind sie auch gesetzeskonform. Wir erleben aber bei den Verpackungsherstellern, dass neue Verpackungen heute auf ihre Recyclingfähigkeit untersucht werden. Monopolymer-Pouches, die zwar mehrschichtig sind, aber aus nur einer Kunststoffart bestehen. PE wird dabei immer beliebter und beispielsweise eine siebenschichtige Polyethylenfolie ist durchaus recycelbar.

CT: Genau, Lebensmittel-Hersteller weisen inzwischen auf Monomaterial-Verpackungen hin. In einiger Zeit werden die Konsumenten dies als Qualitätsmerkmal erkennen, weil sie einfacher recycelt werden kann. In diesem Zusammenhang sollte auch auf das Label recycelbar verzichtet werden, weil das ebenso aussagekräftig ist, wie der Begriff besteigbar bei einem Berg, es kommt immer darauf an, für wen und mit welchem Aufwand.

Hackl: Es kommt darauf an, dass eine Verpackung in der Realität recyclingfähig ist und auch recycelt wird. Eine solche Bewertung würde Papier-Kunststoff-Verbünde sofort aus den Regalen verbannen. Der Konsument sieht häufig außen eine Papierverpackung und realisiert gar nicht, dass im Inneren eine Kunststofffolie fest verklebt ist.

Wir haben bereits auf der K2019 zahlreiche funktionierende Lösungen für recycling- und leistungsfähige Verpackungen gesehen und ich bin mir sicher, dass dieser Trend sich in diesem Jahr fortsetzen wird.

CT: Welche technische Neuerung von EREMA innerhalb der vergangenen drei Jahre ist aus Ihrer Sicht besonders hervorzuheben?

Hackl: Im PET-Bereich sind wir sehr stolz, dass es uns gelungen ist, unsere VACUREMA auf 5 und 6 Tonnen hochskaliert haben. Noch vor 3 Jahren lagen wir da bei der Hälfte. Damals waren wir bei einem maximalen Schneckendurchmesser von 212mm, jetzt sind wir bei 250mm oder sogar 280mm. Mit einer Schnecke bis zu 6 Tonnen zu fördern ist ein technischer Meilenstein.

Bei den Polyolefinen halte ich die Geruchsreduzierung für die bedeutendste Errungenschaft. Wir haben das Thema auf der K 2019 erstmals vorgestellt und sind auf sehr positive Resonanz gestoßen. Seitdem haben wir über 50 unserer ReFresher-Anlagen verkauft. Mit diesen wurden bis heute rund 500.000 Tonnen geruchsneutrales Regranulat in den Markt gebracht. Damit setzen wir die Basis, dieses auch in hochwertigen Anwendungen einzusetzen. Die ersten Schritte für eine Lebensmittelzulassung sind gesetzt und weitere werden folgen.

Im Firmenverbund sind wir stolz auf unsere Cadel-Deinking-Technologie in einer Kooperation mit unserem Unternehmen Keycycle.

Als vierten Punkt möchte ich unsere EREMA-Schmelzefilter nennen, die feiner und feiner werden. Vor ein paar Jahren waren wir hier bei 100 µ, heute liegen wir zwischen 60 und 70.

Mein persönlicher Favorit ist aber der Polyscan. Denn in den Recyclingprozess eine Analyse des Materials zu integrieren gibt es so meiner Meinung nach nicht. Damit eröffnen wir den Zugang zu einem völlig neuen Qualitätslevel in der Kunststoffverarbeitung. Wir erwarten uns noch Großes von diesem Produkt. Beim Refresher etwa hat es auch einige Zeit gedauert, bis der Markt ihn voll angenommen hat.

Insgesamt stellen wir zur K unter dem Motto 7+4 sieben Neuheiten im Bereich Extrusion und 4 aus den anderen Bereichen vor – das gab es so noch nie.

CT: Welche unternehmerische Entscheidung war besonders einflussreich?

Die Entscheidung, auf eine Mehrmarkenstrategie zu setzen hat sich als richtig erwiesen. Dadurch sind wir heute breiter aufgestellt, was uns in der aktuellen Situation hilft. Wir sind in unterschiedlichsten Geschäftsbereichen und Endanwendungen aktiv und können so die konjunkturellen Schwankungen besser kompensieren.

Außerdem hat sich als richtig herausgestellt, in der Covid-Phase, die zuvor begonnen Projekte weiterzuführen, ich spreche hier vom Ankauf eines Firmenareals in St. Marien, vom Engagement beim chemischen Recycling oder im Bereich Fibre and Textile. Das geht nur weil wir privat geführt sind und die Gesellschafter diese langfristige Strategie mittragen. Wir haben weiter Mitarbeiter und Ressourcen aufgebaut und nichts zurückgestellt.

CT: Es wird immer schwieriger, gutes Personal zu finden und zu halten. Wie gehen Sie bei EREMA mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt um?

Hackl: Das Gesamtpaket muss passen und authentisch sein. Das betrifft die Kultur den Umgang miteinander und den gesamten Spirit im Unternehmen. Man kann den Leuten nicht dauerhaft etwas vorspielen. Authentizität ist extrem wichtig. Dann fühlen sich die Mitarbeiter wohl. Nur ein Beispiel: Wir haben vor dem Sommer die Preise in unserer Kantine drastisch reduziert. Seitdem kommen doppelt so viele Leute zum Mittagessen. Natürlich hilft uns auch, dass immer mehr Menschen in einem sinnstiftenden Job  arbeiten möchten, da passt EREMA mit seinem Leitsatz „Because we care“ gut hinein.

Unsere Facharbeiter und Lehrlinge bilden wir bereits seit über 10 Jahren selbst aus. Wir haben dafür Räume geschaffen und Personal abgestellt. Wir haben eine eigene Schulungsakademie, die wir jetzt zur K auch unseren Kunden zugänglich machen wollen.

Unsere Mehrmarkenstrategie bietet unseren Mitarbeitern natürlich neue Entwicklungsmöglichkeiten. Die Tochtergesellschaften unterscheiden sich in Größe und Vorgehensweise. Je nach Geschäftsfeld ist das auch nötig, um eben die bereits erwähnte Authentizität zu gewährleisten. So können wir auf individuelle Vorlieben eingehen und steigern nochmal die Zufriedenheit.

Allerdings spüren wir auch eine Veränderung. Wir haben erstmals offene Stellen.

CT: Die Energiepreise steigen momentan enorm an. Wie unterstützt EREMA seine Kunden beim Energiesparen.

Wir haben bei unseren Maschinen immer schon auf energiereduzierten Betrieb geachtet. Vor vielen Jahren waren wir mit EcoSafe bereits Vorreiter in der Branche. In diesem Jahr zeigen wir auf der K mit dem neuen Extrusionskonzept auch ein System zum Energiesparen. Die EcoGentle-Technologie im PET-Bereich spart 7 bis 10 Prozent der Energie im Vergleich zu herkömmlichen Systemen ein durch eine patentierte Gestaltung des Zusammenspiels von Schnecke und Einzug. Auch für die Polyolefinverarbeitung haben wir etwas Neues entwickelt. Die Massetemperatur liegt um rund 20 Grad niedriger  als früher, was auch wiederum rund 10 Prozent der Energie einspart.

Zweitens haben wir in unserer App Tools zur Energiekontrolle integriert. Das wird auch auf der K vorgestellt werden.

CT: Was bringt die K 2025?

Es wäre schön, wenn dann Polyolefinrecycling mit Rückführung des Regranulats in lebensmitteltaugliche Anwendungen weiter verbreitet ist, damit wir im Polyolefinbereich ähnlich hohe Recyclingquoten erreichen können wie beim PET.

 

 

Von fil