Ob das Smartphone in der Hand oder das Funktionsshirt am Körper – viele Produkte enthalten „besonders besorgniserregende Stoffe“. Sie haben toxische Eigenschaften und können daher Mensch und Umwelt schädigen. Das EU-Projekt „Life AskREACH“ sensibilisiert seit 2017 dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher laut EU ein Recht auf Auskunft haben, Industrie und Handel müssen dazu ihre Lieferketten nachvollziehen. Beides funktioniert noch nicht gut. Am heutigen Mi., 25.01., zieht das Projekt in Brüssel Bilanz. Als europaweit einzige Hochschule ist die Hochschule Darmstadt (h_da) beteiligt. Technik- und Umweltrechtler Prof. Dr. Martin Führ fordert nun eine Verschärfung der EU-Verordnung, um Verbraucherrechte zu stärken und letztendlich problematische Stoffe aus Alltagsprodukten zu verdrängen.

„Besonders besorgniserregende Stoffe“ (Substances of Very High Concern, SVHCs) gelten als krebserregend, hormonell wirksam und umweltschädigend. Sie sollten eigentlich gar nicht in Alltagsprodukten enthalten sein. Auf dem Weg dorthin verlangt die europäische Chemikalienverordnung REACH, dass jeder in der Lieferkette aktiv zu informieren ist, sobald ein solcher Stoff mit einem Anteil von über 0,1% in einem Bauteil enthalten ist. Dies gilt für Zulieferer bis hin zum Handel. Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Auskunftsrecht. Damit können sie dann eine gezielte Kaufentscheidung treffen. Doch noch weiß die Bevölkerung zu wenig von ihrem Recht und bei der Kommunikation in der Lieferkette hapert es oft.

Im EU-LIFE-Projekt „AskREACH“ haben sich daher 19 Projektpartner aus 13 EU-Mitgliedstaaten zusammengeschlossen, um Bewegung in die Sache zu bringen. Die Grundlage für das Projekt hat die wissenschaftliche Arbeit der Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia) an der Hochschule Darmstadt gelegt. Das Team um Prof. Dr. Martin Führ und Dr. Julian Schenten arbeitet seit Jahren an Wegen zur Entgiftung von Lieferketten. Aus Deutschland sind außerdem beteiligt das im Projekt federführende Umweltbundesamt, der BUND und das Baltic Environmental Forum Germany.

Per App Barcode scannen und mehr erfahren

Im Projekt entstanden ist die App „Scan4Chem“, mit der Verbraucherinnen und Verbraucher Produkte per Barcode-Scan erfassen und so vom Lieferanten erfahren können, ob SVHCs enthalten sind. Die App ist inzwischen in Deutschland und zahlreichen weiteren Ländern Europas verfügbar und findet sich auf den Handys von mehr als 2 Millionen Menschen. Der Lieferketten-Problematik hat sich das h_da-Team besonders angenommen: Pilotunternehmen konnten anhand eines speziellen IT-Tools die Kommunikation innerhalb der Lieferkette erproben und somit sehen, wie sich Informationen zu SVHCs einholen, aufbereiten und weitergeben lassen. „Solche Tools sind noch zu wenig im Einsatz, sie erleichtern aber die Kommunikation in der Lieferkette enorm“, sagt Prof. Dr. Martin Führ. „Unsere Pilotpartner haben schnell gemerkt, dass dies viel weniger aufwändig ist als zuvor gedacht.“ Entscheidend sei aber, dass alle Zulieferer sich beteiligen, auch jene von außerhalb der EU.

Führ sieht zudem die Notwendigkeit, die REACH-Verordnung zu verschärfen. „Unternehmen müssen derzeit Verbraucherinnen und Verbrauchern nur antworten, wenn ihr Produkt kritische Stoffe enthält. Eine grundsätzliche Auskunftspflicht würde nicht nur die Transparenz erhöhen, sondern auch den Anreiz stärken, Daten in der Lieferkette weiterzugeben. Bußgelder von bis zu 50.000 Euro sind bei Verstößen zwar auch aktuell schon möglich, hier sind die Behörden bislang aber eher zurückhaltend.“ Dabei würden noch zu viele Unternehmen Produkte verkaufen, ohne sicher zu wissen, ob sie SVHCs enthalten. „Ist dies transparent, können Menschen fundiert entscheiden, welche Produkte sie kaufen“, sagt Prof. Dr. Martin Führ. „Das kann Unternehmen dazu veranlassen, solche Stoffe nicht mehr einzusetzen und so die Warenströme zu entgiften. Solange dies nicht gelingt, besteht für Recyclingmaterial immer ein Schadstoffrisiko. Dann bleiben auch die Klimaschutzpotentiale der Kreislaufwirtschaft ungenutzt. Für die ökonomischen und ökologischen Chancen giftfreier Alltagsprodukte hat AskREACH in den vergangenen Jahren erste wichtige Weichen gestellt.“

Bild oben: In vielen täglich genutzte Produkten verstecken sich gesundheitsgefährdende Substanzen. dIe EU will das Problem nun angehen. Grafik: Pixabay/Openicons

Von fil