Seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert haben Kunststoffe aufgrund vielseitiger Eigenschaften nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens revolutioniert. Doch im „Plastikzeitalter“ stellt der Massenkonsum Gesellschaft und Natur vor weitreichende Probleme. Für nachhaltige Lösungen müssen Plastik und seine Risiken umfassend verstanden werden, von der Herstellung über den Konsum bis zur Entsorgung. Johanna Kramm und Carolin Völker vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung betrachten die komplexe Problematik im Umgang mit Kunststoffen und mögliche Lösungsansätze in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband „Living in the Plastic Age“ deshalb aus verschiedenen disziplinären Perspektiven.
Die vielfältigen Probleme, die die Herstellung und der Konsum von Kunststoffen mit sich bringen, hat die Vereinten Nationen im Mai 2022 zu einer Resolution veranlasst, die ein rechtsverbindliches Abkommen zur „Beendigung der Plastikverschmutzung“ bis Ende 2024 vorsieht. „Die UNEA-Plastikresolution zeigt, dass endlich weltweit anerkannt wird, dass die Kunststoffwirtschaft grundlegend umgestaltet werden muss, um eine nachhaltigere Nutzung zu ermöglichen“, sagt ISOE-Forscherin Johanna Kramm. Doch das erfordere nicht nur Maßnahmen, die verhindern, dass Plastikabfälle in die Umwelt gelangen. „Es geht um einen grundlegenden Wandel der linearen Plastikproduktion hin zu mehr Kreislaufwirtschaft und Suffizienz“, sagt Kramm.
Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet
Dieser Wandel ist eine komplexe Herausforderung, denn er betrifft die Produktion von Plastik und Bioplastik ebenso wie den globalen Verbrauch und nachhaltige Konsumgewohnheiten. „Die notwendigen Transformationen im Umgang mit Plastik erfordern die Zusammenarbeit von Wissenschaft und gesellschaftlichen Akteuren auf allen Ebenen“, sagt ISOE-Forscherin Carolin Völker. Dieser Gedanke liegt auch dem im Campus Verlag erschienenen Sammelband „Living in the Plastic Age“ zugrunde. „Kunststoffe durchdringen heute alle gesellschaftlichen Bereiche, belasten Ökosysteme und Natur. Deshalb müssen die Probleme damit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden“, schreiben die Wissenschaftlerinnen im Vorwort zu dem englischsprachigen Kompendium, das Forschungsergebnisse aus verschiedenen Disziplinen zusammenträgt.
Interdisziplinäre Forschungsergebnisse in einem Sammelband
„Living in the Plastic Age“ umfasst Problembeschreibungen aus Politik- und Umweltwissenschaften, Psychologie, Soziologie, Ökotoxikologie, Umwelt- und Technikwissenschaften und unterschiedliche Fragestellungen: Wie ist die europäische Kunststoffstrategie zu bewerten, welche öffentlichen Diskurse löst sie aus? Wie gelingt eine Kreislaufwirtschaft zur Müllvermeidung und welche Herausforderungen stellen Chemikalien in Kunststoffverpackungen dabei dar? Sind Verhaltensveränderungen Teil einer nachhaltigen Lösung im Umgang mit Plastik? Und wie passen die gesellschaftliche Risikowahrnehmung von Mikroplastik mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Risiken zusammen?
Der Sammelband bietet einer breiten Leserschaft unterschiedliche Ansätze und Perspektiven auf Kunststoffe und knüpft damit an eine Vortragsreihe an, die die Herausgeberinnen im Sommersemester 2019 an der Goethe-Universität Frankfurt mit internationalen Referent*innen aus den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften organisiert haben. Die Humangeografin Johanna Kramm und die Ökotoxikologin Carolin Völker leiteten von 2016 bis 2021 die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsgruppe PlastX, die sich einen inter- und transdisziplinären Zugang zum Thema Plastik in der Umwelt als systemischem Risiko und ein breites Netzwerk von Plastikforschenden erarbeitet hat. Living in the Plastic Age. Perspectives from Humanities, Social Sciences and Environmental Sciences ist als Buch erhältlich und steht digital als Open-Access-Publikation zur Verfügung.
Bild oben: Buchcover: Living in the Plastic Age Perspectives from Humanities, Social Sciences and Environmental Sciences. Foto: Campus Verlag