Deutschland kann seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf Netto-Null verringern. Zusammen mit dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut zeigt Prognos erstmals Wege auf, wie Deutschland bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 % senken kann.

Die Ergebnisse der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ zeigen: eine Reduktion der Treibhausgase in Deutschland um 65 % bis zum Jahr 2030 und Klimaneutralität bis 2050 sind machbar und technisch umsetzbar. Im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität haben die drei Institute unter der Federführung von Prognos Szenarien modelliert und untersucht, mit welchen konkreten Maßnahmen Deutschland bis zum Jahr 2050 seine Treibhausgasemissionen auf Netto-Null senken kann und somit das Ziel des im Dezember 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes erreicht.

„Nachdem wir vor knapp drei Jahren für den BDI gezeigt haben, wie Deutschland seine Emissionen bis 2050 um 95 % senken kann, haben wir jetzt zum ersten Mal für Deutschland untersucht, mit welchen Maßnahmen Klimaneutralität erreicht werden kann.“ Marco Wünsch, Prinzipal und Projektleiter der Studie, Prognos AG

In drei Schritten zur Klimaneutralität 2050

Um diese Ziele bis 2030 und 2050 zu erreichen, sind umfassende Investitionen und eine deutliche Beschleunigung der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende erforderlich. Die Ausarbeitungen zeigen, dass ein klimaneutrales Deutschland 2050 technisch und wirtschaftlich im Rahmen der normalen Investitionszyklen in drei Schritten realisierbar ist:

Im Hauptszenario sinken die Emissionen im ersten Schritt bis 2030 um 65 % unter das Niveau von 1990 – damit ebnet Deutschland auch den Weg zur Anhebung der Klimaziele auf europäischer Ebene.

Im zweiten Schritt wird der vollständige Umstieg auf klimaneutrale Technologien vollzogen, sodass die Emissionen um 95 % auf ein Minimum reduziert werden.

Im dritten Schritt werden die nicht vermeidbaren Restemissionen durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre wie z.B. Biomasse-CCS und direkte Luftabscheidung (DACCS) ausgeglichen.

„Kernelemente unserer berechneten Szenarien sind erneuerbare Energien, Energieeffizienz und der schlaue Einsatz von Biomassen und Wasserstoff. Und an CCS kommt man nüchtern betrachtet nicht vorbei, wenn man die Treibhausgase um 100 % senken möchte“, so Inka Ziegenhagen, Projektleiterin der Studie, Prognos AG

Durch eine vollständige oder fast vollständige Vermeidung von Treibhausgasemissionen in allen Bereichen und den Ausgleich von Restemissionen durch negative Emissionen wird Deutschland in Summe klimaneutral.

Herangehensweise

Aufeinander aufbauende Maßnahmen führen zur Klimaneutralität. Grafik: Wuppertal Institut

Die Szenarien berücksichtigen nicht nur die energiebedingten Emissionen, sondern die Treibhausgasemissionen sämtlicher Sektoren. Insgesamt wurden ein Jahr lang die Maßnahmen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall detailliert untersucht und modelliert.

Auch die oft vernachlässigten Bereiche Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie die effiziente Gewinnung und Nutzung von Bioenergie wurden detailliert analysiert.

„In unseren Szenarien ist Biomasse bei der Energiemenge sogar bedeutender als Wasserstoff. Vom Anbau, über die Umwandlung in Energieträger bis hin zu möglichst effizientem Einsatz: Beim Thema Biomasse wird es in den nächsten Jahrzehnten große Veränderungen geben“, erklärt Prognos-Studienautor Marco Wünsch

Bei der Auswahl der Maßnahmen zur Umsetzung der Treibhausgasminderung standen einerseits die Kosten im Vordergrund. Aufgrund der notwendigen schnellen Transformation wurde auch immer die Frage der technischen Umsetzbarkeit und des möglichen Markthochlaufs mit betrachtet. Um möglichst robuste Szenarien zu erhalten, lag der Fokus auf Technologien mit möglichst geringen technologischen und wirtschaftlichen Risiken. Der Einsatz von Kohlenstoffabscheidung und -lagerung (Carbon-Capture and Storage – CCS) wurde soweit es geht reduziert, wo immer möglich wurden alternative Technologien bevorzugt.

Szenario berücksichtigt Wachstum

Die erarbeiteten Szenarien setzen explizit nicht auf Verzicht als notwendige Voraussetzung für Klimaneutralität: die Pro-Kopf-Wohnfläche steigt weiter und die Mobilität bleibt vollumfänglich erhalten. Bei der Ernährung wurden aktuelle Trends fortgeschrieben und der Industriestandort Deutschland erhält sein hohes Produktionsniveau. In der Studie wurde ein mittleres Wirtschaftswachstum von 1,3 % pro Jahr angenommen. Die ökonomischen Effekte der Klimaschutzmaßnahmen wurden nicht explizit untersucht. Studien (z.B. BDI 2018) zeigen jedoch, dass mit internationaler Kooperation ambitionierter Klimaschutz ohne gesamtökonomische Einbußen umsetzbar sind.

Die Studie stellt damit einen aus Kostensicht und unter Berücksichtigung der Umsetzbarkeit optimierten Weg zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 dar. Erste Ergebnisse der Studie wurden am 22. Oktober 2020 in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Eine Zusammenfassung mit Ergebnissen und Szenarioannahmen steht bereits zur Verfügung. Die ausführliche Version der Studie mit Ergebnissen für alle Sektoren, Modellierungsvarianten und Methodenteil wird voraussichtlich am 9. November veröffentlicht. Prognos war mit der Gesamtprojektleitung und dem Studiendesign betraut und verantwortete die Sektoren Gebäude und Energiewirtschaft.

Das Öko-Institut war zuständig für Verkehr, Landwirtschaft, Abfall und LULUCF (Landnutzung, -änderung und Forstwirtschaft) und die Herleitung der Emissionsminderungsziele. Das Wuppertal Institut bearbeitete den Sektor Industrie. Hier gelangen Sie zur Zusammenfassung der Studie.

Von fil