Die Produktion von Stahl verursacht einen erheblichen Kohlendioxid-Ausstoß. Um die Stahlproduktion zu dekarbonisieren, arbeiten Fraunhofer-Forschende, die TS ELINO GmbH und die Salzgitter AG an der Umstellung eines bestehenden Hüttenwerks auf eine klimaneutrale Produktionsweise. Dabei soll Stahl durch die Direktreduktion von Eisenerz mit Wasserstoff hergestellt werden – klimaschädlicher Koks als Reduktionsmittel wird vollständig ersetzt. Der benötigte Wasserstoff wird über Elektrolyseverfahren mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Insgesamt könnten die Kohlendioxid-Emissionen dadurch um bis zu 97 Prozent sinken. Eine Dekarbonisierung der Stahlbranche kann damit einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Direktreduktionsanlage im Labormaßstab für reaktionskinetische Untersuchungen und Modellierung des Schachtofens. Foto: Fraunhofer IKTS

Stahl ist ein Material mit vielen Qualitäten. Es steckt in nahezu allen Produkten, in denen es auf Eigenschaften wie Festigkeit, Verformbarkeit und Stabilität ankommt. Egal ob in Gebäuden, Fahrzeugen, Maschinen oder Haushaltsgeräten, Stahl ist unverzichtbar. Doch bei dessen Herstellung werden nach Angaben des Kompetenzzentrums Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) allein in Deutschland etwa 55 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert. Die Stahlindustrie verursacht damit ca. 28 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der deutschen Industrie. Dies liegt in erster Linie am Einsatz von Koks, der in den Hochöfen benötigt wird, um Sauerstoff aus dem Eisenerz zu entfernen und so das Roheisen zu gewinnen.

Seit Jahren wird an neuen Technologien gearbeitet, um die Produktion zu dekarbonisieren. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, die Partnerinstitute Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT sowie die Salzgitter AG setzen dabei auf den Ansatz der Direktreduktion auf Wasserstoffbasis. Bei der Direktreduktion in einem Reaktor reagiert das Eisenerz bei hoher Temperatur mit Wasserstoff. Dieser dient als Reduktionsmittel und entzieht dem Eisenerz das Eisenoxid. Zurück bleibt der Rohstoff Eisen. „Wir nutzen Strom aus erneuerbaren Energien, dann ist die Herstellung von Wasserstoff vollständig CO2-frei. Auf diese Weise spart die Rohstahlherstellung unter Einsatz von grünem Wasserstoff bis zu 97 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxids ein“, sagt Dr. Matthias Jahn, Abteilungsleiter Energie- und Verfahrenstechnik am Fraunhofer IKTS.

Grüner Wasserstoff über Hochtemperatur-Elektrolyse

Grundsätzlich wird sogenannter grüner Wasserstoff über Elektrolyseverfahren erzeugt, in dem eine elektrische Spannung angelegt wird, wodurch Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Das Fraunhofer IKTS setzt auf eine Hochtemperatur-Elektrolyse auf Basis von Festoxid-Zellen (SOEC). Diese bietet im Gegensatz zu anderen Elektrolyseverfahren insbesondere bei der Stahlproduktion erhebliche Vorteile, da die Abwärme aus den Hochtemperaturprozessen genutzt werden kann und damit der elektrische Wirkungsgrad erhöht wird. Die Forschenden am Fraunhofer IKTS haben
eigene Elektrolysezellen und -stacks entwickelt und für die techno-ökonomische Bewertung des Verfahrenskonzepts eigene Betriebsdaten genutzt. Die Machbarkeit des neuen Verfahrens konnte das Konsortium in den Projekten „MACOR“ und „BeWiSe“ bereits nachweisen.

Demonstrationsanlage auf dem Werksgelände

In ihrem neuen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhaben „BeWiSe“ arbeiten die Forschenden und ihre Industriepartner jetzt daran, die gesamte Prozesskette im Hinblick auf Ressourcen- und Energieeffizienz weiter zu optimieren. Dazu wird auch eine ca. 30 Meter hohe Direktreduktions-Demonstrationsanlage auf dem Werksgelände der Salzgitter AG genutzt. Beispielsweise wird im Rahmen des Projektes untersucht, wie biogene Stoffe als Ersatz für Kohle und Erdgas genutzt werden können, um den erforderlichen

Kohlenstoffgehalt im Stahl einzustellen. Zudem bildet der effiziente Einsatz von Wasser einen Schwerpunkt im Projekt, denn in der Produktion von grünem Stahl werden u. a. für die Elektrolyse große Mengen an Wasser benötigt. Daher soll das bei der Eisenerz-Reduktion mit Wasserstoff gebildete Wasser möglichst für die erneute Nutzung aufbereitet werden.

Die Forscherinnen und Forscher bringen ihre gesamte Expertise ein: von der Hochtemperatur-Elektrolyse über Membranverfahren zur Gastrennung und Wasseraufbereitung bis hin zur Prozesssimulation und Modellierung der Anlagen mithilfe eines digitalen Zwillings. „Wir begnügen uns nicht mit punktuellen Lösungen und Laboranlagen, sondern bieten der Salzgitter AG eine umfassende technologische Begleitung bei allen Prozessschritten“, sagt Gregor Herz, Gruppenleiter Modellierung und Simulation am Fraunhofer IKTS.

Dr. Alexander Redenius, Leiter Ressourceneffizienz und Technologieentwicklung bei der Salzgitter Mannesmann Forschung sagt: „Wir arbeiten schon seit sechs Jahren erfolgreich gemeinsam mit den Fraunhofer-Forschenden an der Transformation der Stahlerzeugung. Die Direktreduktions-Demonstrationsanlage ermöglicht uns, den Reduktionsprozess und das Zusammenspiel mit den weiteren Prozessschritten zu optimieren. Damit schaffen wir die Basis für eine CO2-arme und nachhaltige Stahlproduktion.“ Bereits 2026 will das Unternehmen ein Drittel der Stahlproduktion auf das klimafreundliche Verfahren mit Wasserstoff umstellen.

Bild ganz oben: μDRAL-Anlage – erste flexibel mit Wasserstoff und Erdgas betriebene Direktreduktionsanlage in einem integrierten Hüttenwerk. Foto: Salzgitter AG

Von fil