Am RWE Innovationszentrum in Niederaußem wurde eine von Fraunhofer UMSICHT entwickelte Pyrolyse-Anlage in Betrieb genommen. Sie nutzt biogene Rest- und Abfallstoffe, insbesondere Mischungen verschiedener Einsatzstoffe wie Klärschlamm oder Gärreste, um daraus hochqualitative Kohlenwasserstoffe zu gewinnen. Diese können dann zu CO2-armen Kraftstoffen oder anderen Chemieprodukten verarbeitet werden.
Um die Klimaziele zu erreichen, ist kurzfristig eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen erforderlich. Dazu werden nachhaltige Kohlenstoff-quellen, z.B. Biomasse, Reststoffe oder CO2, erschlossen, um diese in Kohlenstoffkreisläufe zu integrieren und sie in industriellen Prozessen nachhaltig und CO2 neutral umzuwandeln. Ziel von RWE ist es, diese alternativen Prozesse weiterzuentwickeln, um sie bis zu einer kommerziellen Reife zu führen. Natividad Jordan Escalona, Projektleiterin bei RWE: „Das TCR®-Verfahren ist ein Prozess, der viel Potenzial hat, um synthetische Kraftstoffe zu erzeugen. Deswegen testen wir in Niederaußem diese Technologie, um sie noch effizienter und kostengünstiger zu gestalten.“
Zu diesem Zweck wurde am RWE Forschungsstandort Niederaußem im Rahmen des Verbundprojekts ITZ CC (siehe unten) nun eine innovative Pyrolyseanlage in Betrieb genommen. Der vom Fraunhofer Institut UMSICHT entwickelte Forschungsreaktor arbeitet nach dem Prinzip des thermokatalytischen Reformings (TCR®-Verfahren), einem Pyrolyseprozess mit einem nach-gelagerten Reformierungsschritt. Die Anlage in Niederaußem wandelt Klärschlamm in ein wasserstoffreiches Gas, Karbonisat und Öl um. Es können jedoch auch andere biogene Reststoffe, wie zum Beispiel Gärreste aus Biogasanlagen, eingesetzt werden. Die Ölphase aus dem Prozess kann dann für die Weiterverarbeitung zu hochwertigen flüssigen Kohlenwasserstoffen und Kraftstoffen genutzt werden.
Auch der entstehende Feststoff, ein Karbonisat ähnlich einer Steinkohle, wird verwertet: Er wird testweise in einer Anlage zur Hochtemperaturkonversion eingesetzt, die ebenfalls im Zuge des Projekts von RWE errichtet wurde. Hier geht es vor allem darum, den Phosphoranteil aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Je nach Einsatzstoff sind aber auch weitere Produkt-verwertungen der Karbonisat-Fraktion möglich, z.B. in der Bodenanwendung, zur Erzeugung von Aktivkohle oder zur Wasserstoff-Erzeugung.
Johannes Neidel, Projektleiter bei Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg, sagt zu den Projektzielen: „Hier in der Versuchsumgebung des Großkraftwerks können wir die TCR®-Anlage weiter optimieren und automatisieren. Wir zielen auf die Verwertung biogener Rest- und Abfallstoffe in einem breiten Spektrum ab, welche in hochqualitativen Produkten mündet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei zum einen auf den erzeugten flüssigen Kohlenwasserstoffen, welche in Form von Öl mit vergleichbaren Eigenschaften zu fossilem Rohöl anfallen, und zum anderen auf einem stabilen Langzeitbetrieb.“
Das Verbundprojekt ITZ CC
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT mit Sitz in Oberhausen, die RWE Power AG und die Ruhr-Universität Bochum (RUB) arbeiten im Projekt „ITZ CC“ an Innovations- und Technologie-demonstratoren zur Umwandlung und Nutzung nachhaltiger Kohlenstoffquellen (»Carbon Conversion (CC)«) zusammen. Know-how, Technikumsanlagen und einzelne Komponenten sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Kohlenstoffkonversion und -nutzung werden zusammengeführt. Dieses Projekt wird vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Hintergrund für das Verbundprojekt ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030. Er verlangt nach einem Strukturwandel in den Braunkohleregionen. Ziel ist es, die bestehende fossile Kohlenstoffwirtschaft mit Hilfe von Technologie-Innovationen durch eine neue, nachhaltigere Kohlenstoffwirtschaft abzulösen. So können die Industriestandorte in NRW erhalten bleiben und die heimische Industrie auch zukünftig mit Rohstoffen auf Kohlenstoffbasis versorgt werden. Im ITZCC ist Fraunhofer UMSICHT für zwei Teilprojekte verantwortlich: „Gewinnung von Huminstoffen für verschiedene Anwendungen“ und „Kraftstoffgewinnung durch Co-Pyrolyse“. Letztgenanntes Teilprojekt hatte die Installation der Pyrolyseanlage zum Inhalt.
Bild oben: Johannes Neidel, Hillary Onyebuchi Onyishi (l. u. r.; beide Fraunhofer UMSICHT), Mitte: Natividad Jordan Escalona (RWE) an der Anlage in Niederauße. Foto: RWE