Bereits zum zweiten Mal veranstaltet das Campus Forum an der RWTH den Zertifikatskurs Chief Sustainability Director. Der Kurs liefert Impulse, Lösungsansätze und Erfolgsgeschichten, um Hürden zur Kreislaufwirtschaft zu überwinden. Im Interview mit Circular Technology erklärt Alexander Keuper, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Innovationsmanagement am WZL der RWTH Aachen University, den Ansatz. Verantwortliche in Unternehmen sollten Nachhaltigkeit verstehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und die Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen. In der mehrtägigen Ausbildung lernen Führungskräfte, wie etwa subskriptionsbasierte oder Pay-per-Use Modelle die Kreislaufwirtschaft unterstützen. Referenten stellen im Kurs Best Practices vor, darunter Projekte zur Wasserzähler-Kreislaufwirtschaft, Remanufacturing von Produkten und Innovationen in der Medizintechnik. Die RWTH Aachen treibt nachhaltige Entwicklung voran und integriert das Thema in Vorlesungsformate, Forschungsprojekte und Qualifizierungsprogramme. Viele Teilnehmer des Kurses haben bereits nachhaltige Projekte in ihren Unternehmen angestoßen oder umgesetzt, wie die Umstellung auf grünen Strom und die Entwicklung ökologisch verträglicher Produkte.

Circular Technology: An wen richtet sich der Kurs?

Alexander Keuper: Der Kurs richtet sich an Mitarbeitende in Unternehmen, die die Kreislaufwirtschaft umsetzen möchten und auf der Suche nach Best Practice Beispielen aus der Industrie sind. Der Kurs liefert ihnen Impulse, Lösungsansätze und Erfolgsgeschichten und kann helfen, Hürden in Unternehmen zu überwinden.

CT: Warum sollten Manager etwas von Nachhaltigkeit verstehen?

Generell alle Personen in Entscheidungspositionen sollten etwas von Nachhaltigkeit verstehen. Man ist nur in der Lage gute Entscheidungen zu treffen, wenn man die Auswirkungen der Entscheidung einschätzen kann. Und dabei ist es wichtig neben finanziellen Auswirkungen eben auch jene auf die Umwelt zu bedenken. Man sollte also ab sofort darauf achten, wie die Entscheidungen, die ich heute treffe, meine eigene Zukunft als Unternehmen und Individuum, aber eben auch unsere Umwelt beeinflussen. Während es gestern als Führungskraft noch ausreichte im Sinne eines verantwortungsvollen Handelns den Fortbestand des eigenen Unternehmens und somit der Arbeitsplätze zu sichern, geht verantwortungsvolles Handeln in Zukunft weiter und umfasst ökologische und soziale Aspekte.

CT: Können alle Geschäftsmodelle von Nachhaltigkeit profitieren?

Keuper: Aktuell stehen Unternehmen häufig vor der Herausforderung, dass nachhaltigere Produkte mit höheren Kosten verbunden sind, an welchen sich die Kunden nur in seltenen Fällen, in Form von höheren Preisen, beteiligen möchten. Allerdings steigt der gesellschaftliche und politische Druck auf Unternehmen, wodurch hier Veränderungen zu erwarten sind. Steigen Material- und Energiepreise weiter oder werden Strafen für Treibhausgasemissionen erhoben, können nachhaltigere Produkte plötzlich auch die profitableren Produkte sein. In diesem Fall können dann tatsächlich alle Geschäftsmodelle profitieren.

Die Teilnehmer lernen, durch Vorträge und Workshops, was Nachhaltigkeit in Unternehmen bedeutet. Foto: Campus Forum GmbH

Interessant wird es, wenn man die Frage umgedreht formuliert: „Kann die Nachhaltigkeit von allen Geschäftsmodellen profitieren“. In diesem Fall lässt sich festhalten, dass subskriptionsbasierte oder Pay-per-Use Modelle einen größeren Hebel auf das Thema Nachhaltigkeit anbieten. Hintergrund ist, dass es für Hersteller einfacher ist, auf Altprodukte zurückzugreifen und diese im Sinne der Kreislaufwirtschaft nach der Nutzungsphase bei Kunde 1 zurückzuerhalten, aufzubereiten im Sinne eines Remanufacturings und anschließend in eine weitere Nutzungsphase zu bringen. Und da die Kreislaufwirtschaft der vielversprechendste Ansatz zur wirklichen Nachhaltigkeitstransformation ist, bieten die Geschäftsmodelle, bei denen dem Kunden nur eine Leistung verkauft wird, das Produkt jedoch in Besitz des Herstellers bleibt, die meisten Vorteile.

CT: Welche Projekte stellen Ihre Referenten im Rahmen des diesjährigen Kurses vor?

Keuper: Die Referierenden unseres Kurses kommen aus unterschiedlichen Branchen und stellen ihre Best Practices vor. Die Lorenz GmbH stellt ihren Weg der Wasserzähler in die Kreislaufwirtschaft vor, Rolls Royce Power Systems erläutert das Remanufacturing ihrer Produkte und Vangard zeigt einen möglichen Weg in der Medizintechnik auf. Talbot Services teilt Erfahrungen in der Aufbereitung von Reisezugwagen für Flixtrain. So stellt beispielsweise die Abteilung Innovationsmanagement des WZL der RWTH Aachen vor, wie man bereits in der Produktkonzeptionierung dafür sorgen kann, dass Produkte nachhaltiger werden. Der große Hebel dabei ist natürlich die Kreislaufwirtschaft, bei welcher für die Erstellung neuer Produkte keine Primärressourcen verbraucht werden müssen. Aktuelle Produkte eignen sich nur selten für eine Kreislaufwirtschaft und häufig ist die Produktion eines neuen Produktes einfacher und günstiger als die Aufbereitung eines bestehenden Produktes. Wir müssen durch angepasste Kriterien, Denkweisen und Methoden im Innovations- und Entwicklungsprozess dafür Sorge tragen, dass sich das in Zukunft verändert und die Aufbereitung bestehender Produkte attraktiver wird als die Neuproduktion. Dazu benötigt es in erster Linie eine Produktarchitektur, die als Grundlage für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft dient. Im Bereich der Fabrikplanung visualisiert das WZL die Re-Assembly-Factory und der Lehrstuhl TIM der RWTH zeigt Geschäftsmodellinnovationen auf.

CT: Was tut die RWTH, um eine Nachhaltige Entwicklung voran zu treiben?

Keuper: In den vergangenen Jahren hat sich der Forschungsschwerpunkt sehr stark in Richtung Nachhaltigkeit verschoben. Als WZL der RWTH Aachen unterstützen wir diese Entwicklung proaktiv und binden das Thema Nachhaltigkeit in unsere bestehenden Vorlesungsformate ein und bieten beispielsweise auch ein komplett neues Vorlesungsmodul zur Kreislauffähigen Produktion in der Automobilindustrie an. Viele Forschungsprojekte, Dissertationen und Abschlussarbeiten arbeiten außerdem zurzeit daran, wie wir die produzierende Industrie in der Nachhaltigkeitstransformation durch neue Technologien, Methoden und Tool unterstützen können. Auch die Großveranstaltung unseres Instituts das Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium (AWK) stand sowohl 2021 („Turning Data into Sustainability“) als auch in diesem Jahr („Empower Green Production“) unter dem Leitthema Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt durch unsere Qualifizierungsprogramm zum Sustainability Director erreichen wir die Industrie mit ausgebildeten Experten in diesem Gebiet.

CT: Warum gibt es Menschen und Gruppen, die gegen eine nachhaltige Entwicklung kämpfen?

Keuper: Häufig wird Nachhaltigkeit mit Verzicht assoziiert und löst damit bei einigen Menschen eine Abwehrhaltung aus. Wir müssen es daher schaffen, Nachhaltigkeit ohne „empfundenen“ Verzicht zu erreichen und dementsprechend die Zieldimensionen Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum in die gleiche Richtung ausrichten. Hier sind insbesondere schlaue Köpfe in Industrie und Forschung gefragt, um Lösungen zu entwickeln, die ökologisch und ökonomisch positive Auswirkungen haben.

CT: Haben ehemalige Teilnehmer des Kurses bereits in ihren Unternehmen nachhaltige Projekte angestoßen oder umgesetzt?

Keuper: Viele Unternehmen die unseren Kurs besuchen, beschäftigen sich bereits mit dem Thema Nachhaltigkeit. Von der Umstellung auf grünen Strom als einer der „Quick Wins“ bis hin zur Entwicklung komplett neuer Produktarchitekturen, die als Basis für die Kreislaufwirtschaft dienen, ist vieles dabei. Häufige Ansatzpunkte sind dabei Materialsubstitutionen hin zu ökologisch verträglichen Materialien, Entwicklung neuer „grüner“ Produkte, Umstellung der Energieträger in Produktion und Produkten oder die Einbindung von Partnern zur Wiederverwertung von Altprodukten oder Ausschussmaterial. Wir hoffen den Teilnehmenden unseres Kurses weitere Ideen und Impulse mitgeben zu können, damit die Anzahl und die Durchschlagskraft solcher Projekte weiter zunehmen.

Bild ganz oben: Die Teilnehmer lernen in Theorie und Praxis, wie Nachhaltigkeit im Unternehmen umgesetzt werden kann. Foto: Campus Forum GmbH

Von fil