Die Artenvielfalt ist ein Grundpfeiler unserer Lebensgrundlagen, der immer stärker ins Wanken gerät. Neue globale Biodiversitätsziele der Vereinten Nationen (UN) werden im Frühjahr 2022 erwartet. Bei den Verhandlungen spielen Finanzierung und Finanzströme eine wichtige Rolle. Doch welche Auswirkungen hat der Finanzsektor auf die Biodiversitätskrise? Was können nachhaltige Geldanlagen bewirken, wie steht es um naturschädigende Subventionen und wie können diese abgebaut werden? Diese und viele andere Fragen zum Thema erörtert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) morgen (Dienstag) mit Fachleuten aus Wissenschaft, Finanzwirtschaft und Gesellschaft in ihrer Reihe „DBUdigital“. Der Titel des Online-Salons: „Biodiversität – eine sichere Bank?“. Wer will, kann von 14 bis 16 Uhr live dabei sein: https://www.dbu.de/@OnlineSalonBiodivBank

Der DBU-Online-Salon in Kooperation mit dem Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) geht der Frage nach, was die Finanzwirtschaft mit Biodiversität zu tun hat. Michael Dittrich, stellvertretender DBU-Generalsekretär und Leiter der Finanzabteilung in der Stiftung, zeigt die Dimensionen möglicher Investments auf, schließlich sei der Finanzsektor mit Banken, Versicherungen, Pensionskassen sowie anderen großen und kleinen Playern auf den Finanzmärkten äußerst komplex: „Wen oder was jemand mit seinem Geld unterstützt, kann auch gravierende Folgen für Umwelt und Biodiversität haben – im positiven wie auch im negativen Sinn.“

„Biodiversität bei nachhaltigen Kapitalanlagen nicht vernachlässigen“

Laut dem DBU-Finanzchef „lassen sich die Auswirkungen auf die Artenvielfalt allerdings nur schwer messen und in Zahlen fassen“. Denn diese können entlang der Wertschöpfungs- oder Produktionskette sichtbar werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Konsequenzen sich nicht erst am Unternehmensstandort zeigen, sondern viel früher, etwa in anderen Ländern, wo Rohstoffe abgebaut werden. Nach Dittrichs Worten findet die Biodiversität bei nachhaltigen Kapitalanlagen viel weniger Berücksichtigung als das Thema Klimawandel. „Ein Grund ist, dass für den Klimawandel bessere Daten für Kapitalanleger verfügbar sind, zum Beispiel zum CO2-Fußabdruck von Unternehmen“, so Dittrich. „Für Kapitalanleger fehlen heute noch wichtige Instrumente, um in das Thema Biodiversität zu investieren.“ Klima- und Artenschutz „sollten aber unbedingt Teil einer gemeinsamen Strategie“ sein. Dittrich: „Der Erhalt unserer Lebensgrundlagen hängt davon ab.“ Auf Ebene der Europäischen Union (EU) ist Dittrich zufolge die EU-Taxonomie als Teil des EU-Aktionsplans „Sustainable Finance“ („nachhaltige Finanzierung“) ein großer Schritt in die richtige Richtung. „Das Regelwerk definiert, wann Finanzprodukte nachhaltig sind“, sagt der DBU-Finanzchef.

Zentralbanken sitzen oft am langen Hebel

„Neben EU-Vorgaben gibt es noch weitere Schaltpunkte, an denen die Weichen für ein nachhaltigeres Finanzwesen gestellt werden können“, sagt Prof. Dr. Marianne Darbi. Laut der NeFo-Projektleiterin und Professorin für Landschaftsplanung und Eingriffsfolgenbewältigung an der Hochschule Geisenheim University önnten Zentralbanken oder das Instrument der Risikobewertung dabei helfen: Viele Branchen wie die Pharmaindustrie oder die Agrarwirtschaft seien auf Rohstoffe aus der Natur und gesunde Böden angewiesen. Werde die Biodiversität geschädigt, steige das Risiko für diese Unternehmen, nicht mehr wirtschaften zu können. „Wir müssen bei Finanzprodukten genannte Risiken einkalkulieren und Umweltschäden einpreisen“, so Darbi. Ein weiterer Ansatzpunkt: Die Zentralbanken sitzen gewissermaßen als Dach der Finanzwirtschaft am langen Hebel, weil sie Anforderungen an die Banken stellen könnten. Darbis Appell: „Auch hier müssen klare Definitionen geschaffen werden, was nachhaltig und vor allem was nicht nachhaltig ist. Diese sollten als Kriterienkatalog gelten, wenn sich die Banken bei den Zentralbanken Geld leihen wollen.“

Subventionen mit negativen Folgen für die Artenvielfalt

„Wenn wir über Finanzen im Zusammenhang mit Biodiversität reden, geht es oft um die staatliche Finanzierung von Schutzgebieten und um die Frage, woher das Geld dafür kommen soll“, sagt Darbi. Prinzipiell wären die nötigen Finanzmittel laut der Hochschulprofessorin vorhanden, jedenfalls wenn Mittel der öffentlichen Hand umgelenkt würden. Aktuell flössen hohe Summen in sogenannte naturschädigende Subventionen, wozu zum Beispiel bestimmte Formen der finanziellen staatlichen Unterstützung für Landwirtschaft, Verkehr oder Siedlungsbau zählen – mit zuweilen negativen Folgen für die Artenvielfalt. Seit 2008 erfasst das Umweltbundesamt (UBA) derartige umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Der aktuelle Bericht nennt in diesem Zusammenhang eine Summe von 65,4 Milliarden Euro. Diese flossen laut UBA im Jahr 2018 in Aktivitäten, die sich negativ auf Umweltgüter, Klima, Luft, Boden, Wasser, Artenvielfalt und Landschaft sowie auf menschliche Gesundheit und Rohstoffverbrauch auswirken. Laut Studie liegt die tatsächliche Zahl voraussichtlich noch wesentlich höher, da das UBA lediglich Aktivitäten auf Bundesebene unter die Lupe nimmt, umweltschädliche Subventionen jedoch ebenfalls in Ländern und Kommunen vorkommen.

Breite Expertise im DBU-Online-Salon

Dittrich und Darbi diskutieren im DBU-Online-Salon mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Finanzwirtschaft und Gesellschaft, darunter das Bundesumweltministerium, die GLS Gemeinschaftsbank sowie Nichtregierungsorganisationen – allesamt vereint in dem Ziel, Bedingungen und Lösungen zu identifizieren, damit Finanzwirtschaft zu einem Benefit für Biodiversität wird. Die Moderation übernimmt Susanne Bergius, selbstständige Journalistin und Referentin für nachhaltiges Wirtschaften und Finanzieren.

Kommunikationsoffensive des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung (NeFo)

Mit der „Kommunikationsoffensive Biodiversität 2021“ informiert NeFo in Beiträgen und Veranstaltungen zu Themen rund um die biologische Vielfalt. Ein Leitgedanke dabei: Das völkerrechtlich bindende Übereinkommen der Vereinten Nationen (UN) über die biologische Vielfalt (engl. Convention on Biological Diversity, CBD) und dessen Bedeutung sollen vermittelt und erläutert werden. Dafür verfolgt die Initiative, welche Beschlüsse auf internationaler und nationaler Ebene zur Bekämpfung der Biodiversitätskrise getroffen werden, spricht dazu mit Expertinnen und Experten und bereitet dieses Wissen leicht verständlich auf. Im monatlichen Newsletter beleuchtet das Netzwerk je einen thematischen Schwerpunkt: Die Oktoberausgabe widmete sich zum Beispiel den Auswirkungen der Finanzwirtschaft auf die Biodiversität, der Newsletter im November/Dezember informiert über umweltschädliche Subventionen. Themen, Newsletter und Veranstaltungstipps stehen auf der Webseite www.biodiversity.de gratis zur Verfügung. Das Projekt läuft unter der Regie der Hochschule Geisenheim, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) sowie des Museums für Naturkunde Berlin (Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung). Die DBU fördert das Projekt fachlich und finanziell.

BIld oben: Finanzmärkte haben großen EInfluß auf die Biodiversität. Foto: Pixabay/TieuBaoTruong

Von fil