Ein signalrotes autonomes Mini-Segelboot kreuzt derzeit im tropischen Atlantik, um detaillierte Informationen zur Kohlendioxid-Konzentration an der Meeresoberfläche zu sammeln. Die segelnde Drohne, die im Rahmen des europäischen Projekts EuroSea und des BMBF-Projekts SAILDRONE unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel erstmals im Einsatz ist, soll die Ozeanbeobachtung im tropischen Atlantik verbessern helfen. Anhand ihrer Daten lassen sich auch zukünftige Veränderungen abschätzen und der Ozean besser schützen und nachhaltig nutzen.

Wie schnell erwärmt sich der Ozean? Wie viel Kohlendioxid nimmt er auf? Wie unterscheiden sich diese natürlichen Prozesse in den verschiedenen Meeresregionen und wie stark werden sie vom Klimawandel beeinflusst? Was sind die Konsequenzen für das Leben im Meer? Und wie lassen sich wichtige Veränderungen im Ozean angesichts seiner immensen Größe technisch erfassen? Unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersuchen derzeit Forschende aus Frankreich, Brasilien und Deutschland im Rahmen des europäischen Projekts EuroSea sowie des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts SAILDRONE, wie autonom segelnde Drohnen dazu beitragen können, den Ozeanwandel besser zu verstehen. Je mehr Daten gewonnen und ausgewertet werden, desto besser lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean und seine Beiträge zum menschlichen Wohlergehen abschätzen. Risiken können früher erkannt und Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung entwickelt werden.

Startpunkt für diese wissenschaftliche Mission war Cabo Verde vor Westafrika – und den erreichte die in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelte Segeldrohne auf dem Seeweg: „Das Gerät ist entsprechend seiner Routenvorgabe zu unserer Forschungsstation in Cabo Verde gesegelt, wo wir es überprüfen und für seinen ersten Einsatz vorbereiten konnten“, berichtet Dr. Björn Fiedler, Meereschemiker am GEOMAR. „Nun steuern wir es online nach Süden über den Äquator hinaus und anschließend Richtung Brasilien. Unterwegs erfasst es vier Monate lang mit hochpräzisen Sensoren den Kohlendioxid-Gehalt an der Meeresoberfläche und speist seine Informationen fast in Echtzeit in unser Datennetz ein.“ Am Ende der Mission wird die Drohne einen Transit zurück zum Hersteller absolvieren.

Navigiert vollkommen selbstständig

Das signalrote, sieben Meter lange Boot mit der fünf Meter hohen Tragfläche lässt sich vom Wind antreiben und versorgt seine Elektronik für Messungen und Navigation über Solarpanele. Dabei kann es Spitzengeschwindigkeiten von fünf bis sechs Knoten erreichen. Die Segeldrohne ist in der Lage, eine Zielregion völlig autonom zum Beispiel durch Kreuzen am Wind zu erreichen, um dort dann gezielte wissenschaftlichen Messungen durchzuführen.

Messdaten des segelnden Roboters werden über die Plattform BELUGA live zur Verfügung gestellt und können in dem Portal beispielsweise mit aktuellen Satellitendaten zur besseren Missionsplanung abgeglichen werden. Die detaillierten Angaben zur Kohlendioxid-Konzentration an der Meeresoberfläche machen bereits stattfindende Veränderungen in der Ozeanchemie sichtbar. Hierauf aufbauend lässt sich einschätzen, wie viel zusätzlichen Kohlenstoff der Ozean in Zukunft aufnehmen kann – ein natürlicher Prozess, der die Auswirkungen des Klimawandels verringern kann.

Die tropischen Meeresregionen spielen im globalen Klimasystem aufgrund der starken Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre eine wichtige Rolle, nicht nur hinsichtlich des Austauschs von Wärme sondern auch von relevanten Treibhausgasen wie Kohlendioxid. Diese werden in den Tropen rasch in höheren Schichten der Atmosphäre transportiert und somit in das globale Klimasystem eingespeist. Gleichzeitig gibt es in diesen Regionen nur sehr wenige Messdaten über längere Zeiträume, was eine präzise Bilanzierung dieser Prozesse im tropischen Atlantik deutlich erschwert.

Analyse von  Lebensbedingungen im Ozean

Darüber hinaus ermöglichen die Informationen Rückschlüsse auf die unmittelbaren Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen. „Die Segeldrohne ist zusätzlich mit einem wissenschaftlichen Echolot ausgestattet, welches uns erlaubt, von der Oberfläche bis in 800 Meter Tiefe in den Ozean hineinzuschauen und eine präzise Verteilung von Zooplankton und Fisch in den oberen 800 Meter der Wassersäule liefert“, sagt Dr. Helena Hauss, Meeresökologin am GEOMAR. „Diese simultanen Messungen sind beispielsweise auch wertvoll für die Identifizierung biologischer ‚Oasen‘, das nachhaltige Management mariner Ressourcen oder die Einrichtung und Überwachung von Schutzgebieten in der Region.“

„Die Drohne hat das Potential, eine sehr wichtige Akteurin im internationalen Beobachtungsnetzwerk im tropischen Atlantik zu werden, da in dieser Region bisher nur sehr wenige Messungen für Kohlendoxid durchgeführt werden konnten“, erklärt Dr. Björn Fiedler. „Sie ergänzt und verknüpft Messungen von fest installierten Verankerungen und Tiefendriftern, die mit den Meeresströmungen treiben, sowie von wissenschaftlichen Expeditionen. Der Segler hat ein hochgenaues Kohlendoxid-Messsystem an Bord, welches zur Verbesserung der Messungen der bisherigen Plattformen beiträgt.“

„Das EU-Projekt EuroSea hat sich zur Aufgabe gemacht, Systeme zur Ozeanbeobachtung und -vorhersage zu verbessern“, ergänzt Dr. Toste Tanhua, Meereschemiker am GEOMAR und Koordinator von EuroSea. „Wir wollen Informationen anbieten, die für eine nachhaltige Wirtschaft im Sinne des Ozeans nötig sind und das Wohlergehen und die Sicherheit der Gesellschaft stärken. Mit der Segeldrohne kommen wir diesem Ziel wieder ein Stück näher.“

Bild oben: Die Segeldrohne vor den Kapverdischen Inseln. Foto: Martin Visbeck, GEOMAR

Von fil